Wo der Elch begraben liegt
befestigt, wo er im Bühnenhintergrund zu sehen war. Frida erkannte Chrissie Hynde, Mick Hucknall, Michael Hutchence und einen jungen Robbie Williams. Obwohl sie sich mitten auf dem Land, weit entfernt von allem befanden, kam sich Frida vor, als wäre sie im Zentrum der Welt. Die ganze Situation hatte etwas unglaublich Verlockendes und Attraktives.
Micke führte voller Stolz seinen neuen Fund vor, den er auf dem Recyclinghof entdeckt hatte– eine Popcornmaschine aus den Achtzigern. Wie der schlimmste Verkäufer erläuterte der früher so schweigsame Mann jetzt die Funktionsweise des Apparats. Er versicherte, ihn penibel gereinigt zu haben, und wollte unbedingt, dass Frida dem Prozess der Popcornentstehung ihre volle Aufmerksamkeit widmete. Er lachte vergnügt, als das Popcorn in die Schale rieselte und sich über die Arbeitsplatte verteilte. Frida verstand nicht so recht, was daran so lustig sein sollte, stimmte aber in der Hoffnung, es noch zu begreifen, in sein Lachen ein. Bevor sie überhaupt mit dem Essen begannen, hatte er mehrmals ihr Weinglas nachgefüllt. Frida bekam rote Wangen und fing an zu kichern. Micke berichtete von seinen Erinnerungen an zickige Rockstars, merkwürdige Veranstalter, verschwundene Ausrüstung, verpasste Flugzeuge und bizarre Erlebnisse auf vielen langen, späten, verrufenen und feucht-fröhlichen Partys. Frida kam sich wie eine Cousine vom Land vor, die in eine glänzende, funkelnde, spannende andere Welt eingeladen wurde, die vor Genialität und gebrochenen Tabus nur so strotzte. Der Eintopf war nach stundenlangem Kochen schwer und deftig, der Wein würzig und beerig. Die Kerzen machten die Küche warm und dampfig, und Van Morrison sang » Have I told you lately?«, als Micke plötzlich zu lachen aufhörte und mit ernster Miene sagte: » Und du? Ich weiß überhaupt nichts von dir. Ich will alles über dich und deine Träume erfahren.«
Frida erzählte von ihrer Jugend in dem idyllischen Villenviertel, von der schönen, konfliktverbergenden Fassade, von Papas ständigen Seitensprüngen, von Mamas Sorgen und Minderwertigkeitskomplexen, die in Bitterkeit und Gemeinheit umschlugen, nachdem die Schäbigkeiten zu Tage getreten waren, von der angespannten Scheidung und dann… der totalen Leere, dem Gefühl, niemanden zu haben und gleichzeitig den Wunsch nach einem glücklichen Leben zu hegen. Sie erzählte vom Leben ihrer Großmutter in dem Häuschen in Bruseryd und ihrem eigenen in der kleinen Wohnung in Strömmensberg. Von der Befürchtung, keine richtige Nase für Nachrichten zu haben, jedoch auch von der großen Lust an Sprache und dem Wunsch, sich die Geschichte anderer Menschen anzuhören. Frida hatte das Gefühl, ihr ganzes Leben vor seinen geröteten, leicht verschwommenen Augen auszubreiten.
Als sie verstummte, fragte er: »Aber wer bist du eigentlich?«
Sie kam sich blöd vor. Was meinte er? Sie hatte doch gerade alles erzählt. Hatte sie die falschen Dinge erzählt, oder hatte er nicht zugehört? Er lehnte sich über den Tisch und legte seine von Narben überzogene Hand auf ihre.
» Ich muss doch wissen, ob du diejenige bist, die ich heiraten soll…«
Die bloßen Worte, die simple Wahrnehmung des Versprechens, dass jemand den Rest seines Lebens mit ihr teilen wollte, ließen bei Frida lächerlich warme und weiche Gefühle aufkommen. Mit pochendem Herzen suchte sie nach einer passenden Antwort; dass sie sich kaum kannten, wie sie den Altersunterschied sah oder sich ihr zukünftiges Leben vorstellte. Beinahe konnte sie die weiße, raschelnde Seide auf der Haut spüren, den prachtvollen Brautstrauß aus Rosen und Freesien sehen, die Stimmen der internationalen Gäste, die Livemusik, die klirrenden Champagnergläser auf einer von der Nachmittagssonne beschienenen Terrasse irgendwo an der Riviera hören und sich selbst mit zerwühltem Haar und in ein stilechtes Sechzigerjahre-Kostüm gekleidet vor sich sehen… Berauscht von Hitze und Erwartung schien sie nicht richtig zu sehen oder wahrzunehmen, was sich abzuspielen begann.
» Jetzt will ich poppen«, sagte Micke unvermittelt.
Aus ihrem Tagtraum gerissen, lachte Frida verlegen. »Das kommt aber plötzlich.«
» Na, komm schon. Ich brauch’s.«
» Nicht ausgeschlossen«, sagte Frida, jetzt wachsam geworden, » aber das geht mir zu schnell.«
» Mir nicht. Und ich will jetzt poppen. Gott, wie ich jetzt poppen will.«
In Fridas Kopf rauschte und wirbelte es von gegensätzlichen Signalen und Gefühlen, und sie wusste
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