Wo der Tod begraben liegt (German Edition)
Etablissement, in dem Werner sich ab und dann zu vergnügen wusste, gab es einen Keller mit Räumlichkeiten für die Ausübung sadomasochistischer Sexualpraktiken. Beim Safeword handelt es sich um ein Codewort, bei dessen Nennung das ungewöhnliche Sexualspiel sofort unterbrochen werden muss; es gibt in der SM-Szene keinen größeren Sündenfall als die Überschreitung dieser Regel. Dass auch Werner zuweilen den Sadomasochismus praktizierte, hatten die Nachforschungen der Polizei nach seinem Tod ergeben. Und dabei war auch zu Tage getreten, dass Werner einmal das Safeword einer masochistischen Gespielin ignoriert hatte.
„Was für ein Arschloch“, moralisierte Manfred. In seinen Gedanken meldeten sich bei ihm nun all diejenigen Menschen, die in seinem nächtlichen Traum keine Chance mehr erhalten hatten, ihre Beschwerden gegen Werner vorzutragen. Wie in einem Film erlebte Manfred jetzt deren Anklagen. Immer hatte er dabei das Gefühl, von diesen Anprangerungen schon mal gehört zu haben, sei es in der Zeit, als er mit Werner in der Grundschule zusammen war oder später. Was wird Werner in all den Jahren, als er mit ihm keinen Kontakt hatte, wohl noch alles verbrochen haben, fragte sich Manfred.
Manfred war sich sicher, dass seine Charakterisierung von Werner als Arschloch von ihm auch bei einem zweiten Nachdenken ohne jede Umstände beibehalten werden konnte, denn seines Erachtens war das Unmenschliche nicht nur etwas, was Werner das ein oder andere Mal in seinem Leben, etwa in einer Krisensituation, ausgezeichnet, sondern etwas, was sich durch sein ganzes Leben gezogen hatte. Differenzierter wollte und konnte Manfred Werner jetzt nicht sehen. Im Moment war Werner für Manfred lediglich das Böse, das Böse schlechthin, was Rache oder zumindest Vergeltung verdient; sollte man diesbezüglich noch etwas tun oder ist schon alles erledigt, was gerechtfertigt ist, fragte sich Manfred und das im vollen Ernst, wie er sogleich selbst konstatierte.
Man durfte gespannt sein, wie der Tag weiter verläuft.
Vorerst lief das Auto. Immer weiter Richtung Heimat, Richtung Neuenkirchburg, in die Arme von Ilona, wie Manfred hoffte. Schon am Vortag hatte er sich für den nächsten Abend angekündigt. Manfred hasste Werner und freute sich auf Ilona, als er vor seinem Zuhause hielt, das übrigens ganz in Sichtweite des humanistischen Gymnasiums stand, woran Manfred beim Ausstieg aus seinem Auto wieder einmal denken musste. Die Welt ist nun mal klein, sinnierte er über seine Beobachtung, als er gerade den Treppenabsatz hinaufging und die Tür öffnete. Es brauchte noch ein paar Schritte, dann wurde er überrascht.
Ilona, Conny und der Professor saßen in trauter Eintracht auf dem großen Sofa der großen Wohnküche. Auf einem Stuhl aalte sich der Soziologiestudent, der als Helfer für den Professor arbeitete.
„Was ist passiert?“, fragte Manfred. Bevor er sich über den Besuch freuen konnte, zeigte er sich besorgt.
„Keine Angst.“ „Niemand ist gestorben.“ „Begrüßt man so seine Lieben?“, sprachen nacheinander Conny, der Professor und Ilona.
Der beunruhigte Gesichtsausdruck von Manfred verzog sich. Er schritt zur ordentlichen Begrüßung.
„Es ist gar nichts, Manfred. Wir haben dich lediglich lieb“, sprach Conny.
Der Professor zwinkerte seinem Helfer zu: „Ich überlege mir noch, wie ich das sehe.“
Sodann erfuhr Manfred, was es mit dem Besuch auf sich hatte. Über die Mailingliste, die bei der Silberhochzeit angelegt worden war und der ja auch Conny und der Professor angehörten, lief eine reichhaltige Kommunikation aller Beteiligten. Auch die Krankheit von Manfred stellte ein vielbesprochenes Thema dar; dabei blieb es kaum aus, dass auch über die Beichttour von Manfred berichtet wurde. Die Besucher hatten sich über einiges ausgetauscht.
„Aber nicht zu allem, Manfred.“ Conny hatte schnell weggeguckt, nachdem sie das gesagt hatte, eine Bewegung, die Manfred nicht entgangen war. Er schaute länger in die anderen, ebenfalls unsicher dreinschauenden Gesichter, dabei wurde er sich langsam sicher, wie er die Redseligkeit der Mitglieder der Mailingliste einschätzen sollte: „Ich darf leider annehmen, dass der Inhalt meiner Beichten nahezu lückenlos bekannt ist.“
Nachdem keiner antworten wollte, meldete sich schließlich der Professor zu Wort: „Manfred! Der Mensch ist im Normalzustand bekanntlich neugierig. Leider waren wir alle ziemlich oft normal in unseren E-Mails.“
„Na, toll. Dann weiß
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