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Wo der Tod begraben liegt (German Edition)

Wo der Tod begraben liegt (German Edition)

Titel: Wo der Tod begraben liegt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Gohlke
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Fenster hörte man Schreie, die sowohl Leidenschaft als auch Verzweiflung ausdrücken konnten, Manfred vermutete beides.
    Sonst war alles ruhig und das sollte es bitte auch bleiben, forderte Conny ihre beiden Begleiter auf, als es im Hausflur die alte Treppe zur Wohnung hinauf ging. Denn neue Mieter im Erdgeschoss hatten sich schon mehrfach als lärmempfindlich und beschwerdefreudig gezeigt. Gelegentlich taten sie das sehr lautstark, etwas, woran sich Manfred, Conny und ihre Freundin gerade erinnern mussten und das sie umgehend zum Kichern animierte. Je mehr sie sich dabei zur Ruhe aufforderten, desto mehr verselbstständigte sich ihr Feixen. Als sich die Schlüssel zur Wohnungstür nicht finden lassen wollten, erwies sich das Gekicher als kaum noch beherrschbar und als nach endlich erfolgreicher Suche der Schlüsselbund dann mit einem schallernden Scheppern auf den eisernen Boden fiel, entlud sich alles in ein kreischendes Lachen, das auch nach erfolgreichem Eintritt in die Wohnung noch eine gewisse Zeit lang anhielt. Scherzend setzte man sich zu einem Absacker an den Küchentisch. Mühelos einigte man sich alsbald auf einen zweiten, bevor man jählings, von der Müdigkeit übermannt, endlich schlafen ging.
    Manfred freute sich auf ein Schlummern, dass von keinem Wecker künstlich zu beenden werden drohte. Mit der Hoffnung in einen Traum hineinzufallen, den er selbst etwas steuern kann, entlud er sich aller Gedanken und nickte umgehend ein. „Schlaf, Kindchen, Schlaf“ war das Letzte, was er dachte.
    Daraus wurde aber nichts, jedenfalls nicht so, wie sich Manfred das gewünscht hatte. Dass Alkohol treiben kann, gehörte zu den regelmäßigen Erfahrungen seines Daseins, aber die Häufigkeit, mit der er in der heutigen Nacht das WC aufsuchte, schien ihm irgendwann rekordverdächtig; eine Folge davon, dass er zuletzt im „Eck“ wie auch in der Küche neben den Alkoholika jeweils eine Flasche Mineralwasser getrunken hatte, um in den morgigen Tag so beschwerdefrei wie möglich zu starten. „Ich hab‘s übertrieben“, murmelte Manfred, als es ihn wieder mal aus dem Bett trieb.
    Ein Hungergefühl trieb ihn schließlich in die Küche. Mit Blick in die aufgehende Morgensonne verschlang er mehrere Scheiben Brot mit gesalzener Butter.
    Der Leckerbissen schärfte seine Sinne und da Manfred auch auf keinen schönen Traum zurückgreifen konnte, zu dem er sich in Vorfreude auf eine Fortsetzung erneut ins Bett hätte legen können, entschloss er sich, den Tag frühzeitig zu beginnen. Kaffee war alsbald gekocht, ein Apfel geschält, ein Glas von dem neuerdings in Mode kommenden Multivitaminsaft eingeschenkt und alles zusammen ins Zimmer befördert worden. Dort saß Manfred an seinem Tisch, aß und trank. Ein Rülpser ließ ihn den Prozess des Wachwerdens endgültig abschließen, im Folgenden war er bereit für Taten. Die Akten aus Klausen warteten auf ihre Bearbeitung.
    Dass die Papiere der Keller-Gestapo im Vorübergehen erschlossen werden könnten, schloss er aus. Im Gegenteil, er war überzeugt davon, dass ihm eine Menge Arbeit bevorstand.
    Schon bei seiner Überprüfung des Aktenmaterials in Klausen hatte Manfred eine Ahnung vom Aufwand des Studiums erhalten. Er hatte die Zahl der Akten auf einige hundert getippt; in der Tat sollte er beim Nachzählen, mit dem er seine Arbeit heute begann, auf 423 Dokumente kommen. Das entsprach der möglichen Anzahl von Quellen, mit denen Historiker zu tun haben, die sich für ein Buchprojekt oder ihre Doktorarbeit mit der Gestapo beschäftigen.
    Wohlgemerkt für eine Doktorarbeit, nicht etwa für eine Diplomarbeit, mit der Manfred es zu tun hatte und für deren Anfertigung ihm lediglich noch zwei Monate Zeit blieben. Manfred musste nach einer strengen Methode vorgehen, wenn er nicht Unmögliches von sich verlangen wollte.
    Zuerst überlegte er, ob er sich mit einer Zufallsauswahl auf nur wenige Prozent des Materials beschränken sollte. Das haben bisher schließlich viele Gestapo-Forscher so gemacht. Mal begnügten sie sich auf 2 Prozent des Bestandes, im Höchstfall verwerteten sie 12,5 Prozent. Es dauerte nicht lange und Manfred verwarf diese Idee. Das hat was von Ausschluss, dachte er, und Ausschluss gibt es schon genug auf dieser Welt.
    Dann kam er auf die Idee, die Quellen nur unter einer ganz bestimmten Fragestellung zu untersuchen. Hier fiel ihm eine Menge ein, sodass er bald hoffnungsvoll eine Liste mit allen möglichen Themen entworfen hatte. Mal entstammten seine Einfälle

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