Wo die Liebe beginnt
das anmaÃend vor.
Darum checke ich lieber mein Handy. Ich würde gerne mit jemandem reden â über die erstaunlichste Sache, die mir widerfahren ist, seit Kirby geboren wurde. Wenn ich nicht die ganze Vorgeschichte erzählen will, habe ich nur eine Option: meine Mutter. Aber die schläft jetzt neben meinem Vater, und wenn ich sie anrufe, wachen beide auf. Mein Vater würde glauben, es wäre etwas Schreckliches passiert â und dieses Ereignis fiele für ihn wohl tatsächlich in diese Kategorie. Deswegen haben meine Mutter und ich die ganze Angelegenheit auch vor ihm geheim gehalten. AuÃerdem will ich nicht mit ihr darüber reden, jedenfalls nicht jetzt. Sie hat mir damals geraten, ein anderes Kästchen als ursprünglich geplant auf dem Formular anzukreuzen. Das Beste ist, wenn du alle Brücken abbrichst, für immer. Ich wusste zwar nicht, ob sie damit mir, sich selbst oder uns beiden einen Gefallen tun wollte, aber die Erinnerung daran hat mich oft von einem Gespräch mit ihr abgehalten.
Nervös scrolle ich mich durch meine E-Mails und SMS und frage mich, ob Peter noch wach ist. Plötzlich vermisse ich ihn und wünsche mir, der Abend mit ihm wäre anders zu Ende gegangen. Noch mehr wünsche ich mir aber, er würde mein Geheimnis kennen. Ich hätte es ihm sagen sollen. Ich denke an alle Gelegenheiten, bei denen das gut möglich gewesen wäre: jedes Mal, wenn eine Freundin ein Kind bekam, zum Beispiel. Oder als er mir Aidans Geschichte erzählte: wie mitten in einer Opernaufführung Robins Fruchtblase platzte und sie das Kind beinahe im Taxi auf der Third Avenue zur Welt gebracht hätte. Oder als er mir seine intimsten Geheimnisse beichtete: dass er in Dartmouth eine Hausarbeit abgeschrieben und bei einem Junggesellenabschied in Vegas mit einer Stripperin geschlafen hatte. Ich maÃte mir kein Urteil über ihn an, und er hätte das umgekehrt bestimmt auch nicht getan. Oder doch? Vielleicht hätte er gesagt, dass eine Frau, die ihr Kind weggibt, unfähig ist, jemals eine gute Mutter zu sein. Zumindest nicht die Mutter seines Kindes. Er könnte auch ein Problem damit haben, dass ich die Sache vor meinem eigenen Vater geheim gehalten habe â und vor dem Vater des Kindes. Es war mir einfach zu riskant, Peter davon zu erzählen. Es war leichter, alles ruhen zu lassen. Sauberer. Einfacher. Sicherer. Habe ich wenigstens gedacht. Bis heute.
Ich schalte das Licht wieder aus und schlieÃe die Augen, aber der Drang, mit ihm zu reden, verschwindet nicht. Ich schicke ihm eine SMS , um zu sehen, ob er noch wach ist. Nur Sekunden später vibriert mein Handy. Ich greife danach, begierig auf seine Worte, wie immer, wenn er schreibt, aber heute Abend bin ich besonders aufgeregt. Ich tippe, so schnell ich kann, und jede seiner Antworten beruhigt mich ein Stückchen mehr.
Peter : Ja.
Marian : Kannst du nicht schlafen?
Peter : Nein. Fühle mich schlecht wegen heute Abend.
Marian : Schon okay.
Peter : Nein, ist es nicht. Tut mir leid.
Marian : Mir auch. Ich wäre gern bei dir.
Peter : Soll ich rüberkommen?
Bevor ich »Nein« zurückschreiben kann, klingelt das Telefon, und ich nehme freudig ab, noch immer fest entschlossen, mein Geheimnis zu bewahren. Innerlich lege ich mir neue Rechtfertigungen für mein Handeln zurecht.
»Alles okay, SüÃe?«, fragt er. Seine Stimme ist rau und sexy. Ich höre Eiswürfel in einem Glas klingeln und weiÃ, dass er Scotch trinkt â das ist seine Version von Schlaftabletten.
Ich will antworten, kann aber nicht.
»Champ? Bist du noch da?«
»Ja, ich bin da«, sage ich und gebe mir Mühe, so wie immer zu klingen.
Er fragt noch einmal, ob alles in Ordnung ist. In seiner Stimme liegt eine Spur von Schuldbewusstsein â was mir wiederum Schuldgefühle macht, weil ich mich über ihn aufgeregt habe. Wie kann ich erwarten, dass sich ein Mann für immer an mich bindet, wenn ich ihm ein so wichtiges Detail meines Lebens verschweige?
»Ja«, sage ich. »Ich bin da.«
»Willst du, dass ich rüberkomme?«, fragt er sanft.
Ich will ihn jetzt unbedingt bei mir haben, aber dann denke ich an Kirby im Nebenzimmer und erkläre ihm, dass es schon spät ist. Dass ich ihn morgen früh anrufen werde.
Aber er hat sich schon festgelegt. »Ich komme«, sagt er und legt auf, bevor ich protestieren kann.
Zwanzig Minuten später ist er in meinem Zimmer
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