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Wo die Toten ruhen - Psychothriller

Titel: Wo die Toten ruhen - Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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alle Beteiligten fröstelten - zwei Brüder im Rentneralter, die sich um das Haus der verstorbenen Eltern
stritten. Der eine der beiden war behindert, er wollte weiterhin darin leben, konnte es sich aber nicht leisten, seinen Bruder auszuzahlen. Leider konnte man Vergleichsobjekte nicht frisieren; man konnte aus einer Immobilie in Pacific Palisades keine Immobilie in La Habra machen, und wenn die Häuser sich noch so ähnlich waren.
    Als er Kats Zahlen hörte, stieß der zurzeit dort wohnende Bruder tatsächlich ein Schluchzen aus, das ihm ein Stirnrunzeln von Seiten des Richters eintrug, was die Sache nur noch schlimmer machte. Der gesunde Bruder, bis dahin gleichmütig, sprang plötzlich auf. Sein Anwalt zupfte ihn am Arm, während er zitternd dastand und brüllte: »Finde dich damit ab. Mach weiter!«
    Kat seufzte, als sie in der Nachmittagspause ihre Aktentasche zusammenpackte und aus dem Gerichtssaal schlich. Es war nicht immer so. Sie liebte ihre Arbeit. Sie freute sich über jede neue Immobilie. Als ihr Vater und dann sein Partner sie engagiert hatten, hatte sie sich zunächst an deren Ablage gehalten. Dann half sie, Listen der Häuser zusammenzustellen, zu denen auch Fotos gehörten. Wenn sie an ihrem Schreibtisch gesessen und Fotos auf Blätter geklebt hatte, die danach in Aktenordner wanderten, hatte sie davon geträumt, in diesen Häusern zu leben. In dem einen Leben fuhr sie den VW Touareg V10, der in der Auffahrt stand, genoss von einer Eigentumswohnung im Dachgeschoss in Manhattan Beach aus den Blick aufs Meer und erfreute sich an einer Viking-Kochmulde. In einem anderen Leben bewohnte sie einen schäbigen Bungalow aus den dreißiger Jahren in der Innenstadt von L. A., wo die Nachbarn sich anbrüllten und einander verprügelten.
    Sie öffnete die hintere Tür ihres Echo und warf ihren Fall auf den Rücksitz. Sie wollte ihn nicht mehr sehen, wollte nicht über diesen armen alten Mann nachdenken, dessen Leben gerade
den Bach hinuntergegangen war, wie ein Kind die Achterbahn hinunterschoss, aus luftigen Höhen in scheußliche Tiefen. Er hatte vierzig Jahre lang in diesem Haus gelebt.
    Für ein Viertel des Geldes, das er für seine Hälfte des Unglückshauses in Pacific Palisades bekam, konnte er aus der Gegend um Los Angeles wegziehen und sich im Mittleren Westen ein Haus kaufen. Oder er konnte fünfzig Kilometer nach Westen ins Inland Empire ziehen, den Tentakel der Stadt, der sich in das heiße San Gabriel Valley erstreckte, das einst mit seiner kochenden Sonne und dem fehlenden Wasser als nahezu unbewohnbar gegolten hatte und das jetzt - wertmäßig - von Tag zu Tag heißer wurde.
    Viele Menschen pendelten von dort jeden Morgen nach L. A. Sie kamen immer noch, wie vor sechzig Jahren, wegen des Wetters, wegen der Arbeitsplätze, wegen des Meeres. Sie blieben, weil sie, wie Süchtige, ein krankes Vergnügen am Auf und Ab hatten und sich mit dem täglichen Stress brüsteten. Sie waren muskulös und fit und stellten sich den Herausforderungen der Stoßzeiten. Vielleicht schafften sie ihren Weg fünf Minuten schneller, indem sie eine günstige Seitenstraße ausfindig machten. Vielleicht wohnten sie in beengten Verhältnissen, doch die Sonne schien, und an einem schönen Samstag im Sommer schafften sie es vielleicht sogar mal an den Strand.
    Sie lebten, als wäre L. A. immer noch das Paradies, das es einst gewesen sein musste, bevor sie alle dort wohnten.
    Kat knallte die Wagentür zu, schaltete automatisch die Lüftung ein, drückte den Knopf für die Klimaanlage und fuhr dann auf die Schnellstraße - was für ein hübscher Name für etwas, wo nichts schnell ging, wo niemand sich rührte, sich alle gefangen fühlten und, ob reich oder arm, dasselbe schöne, böse Heulen der Sirene hörten.

    Im Büro konnte Ray seinem Partner Martin nicht aus dem Weg gehen, denn der stand - in gestärktem Hemd und mit schicker Krawatte, als habe er sich für einen Kampf der Bosse gekleidet - hinter Suzanne Wache und erwartete ihn.
    »Post?«, fragte Ray Suzanne.
    »Eine Overnight-Kuriersendung.« Ihr Gesicht war ein wenig gerötet.
    »Gut. Antoniou.« Er hielt den Umschlag ins Licht.
    »Hat er unterschrieben oder nicht?«, fragte Martin.
    Ray, der gehofft hatte, den Augenblick für sich allein genießen zu können, runzelte die Stirn. Er nahm den wie einen Dolch geformten Brieföffner von Suzannes Schreibtisch und schlitzte den Umschlag auf.
    »Ah«, sagte er und las den Brief. »Er hat.« Erstaunt, erfreut, unsicher, wie er

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