Wo die Toten ruhen - Psychothriller
Edelstahlküche schnitt Ray Rettich in Scheiben. Er gab den fertigen Salat in eine Glasschüssel, wickelte den Rest des Gemüses in Klarsichtfolie und stopfte ihn in eine Schublade des Kühlschranks. Dann schenkte er zwei Dosen Diätlimonade in ein Glas mit Eis und stellte alles auf ein Tablett, das er mit ins Wohnzimmer nahm und auf dem schicken Esstisch absetzte.
Er setzte sich aufs Sofa und trank seine Limonade, während er auf Kat wartete. Leigh hatte dieses Sofa gehasst. Sie wollte etwas Plüschiges, sagte sie immer, etwas Samtiges, Weiches. Sie hatte Recht gehabt. Ein Zuhause war mehr als Wände aus Glas und harte Möbel. Er hatte Leigh kein behagliches Zuhause geschaffen.
So vieles würde er anders machen … aber er konnte sein Leben nicht von vorn beginnen …
An der Tür klingelte es, und er ging hinaus, um zu öffnen.
Kat kam herein, ganz geschäftsmäßig. Sie zog nicht die Schuhe aus.
»Das Haus … besteht die Chance, dass Sie es mir zeigen?«
Er führte sie herum, erklärte ihr die Konstruktion und erzählte ihr von kniffligen Entscheidungen, die er hatte treffen müssen, als wäre sie eine potenzielle Kundin.
Schließlich gingen sie auch hinunter in seine Werkstatt. Sie hielt sich an der Wand fest, um nicht zu stolpern.
»Ray«, sagte sie, »Sie werden allmählich verrückt, richtig? Oder sind Sie schon mit einem Fuß in der Psychiatrie?«
Er nickte zwar nicht, widersprach ihr jedoch auch nicht.
Während sie ihm nach unten folgte, hatte sie Angst. Seine Ruhe war ihr unheimlich. Sie hatte Pfefferspray in der Handtasche und die Hand fest am Schulterriemen, und sie überlegte, ob es eine so gute Idee war, allein zu ihm zu fahren.
Irgendwann innerhalb der letzten Tage war sie soweit gewesen zu glauben, dass Leigh tot war. Doch nun stiegen Zweifel in ihr auf: Warum sollte sie eigentlich tot sein? Möglicherweise war sie doch einfach nur von zu Hause weggegangen. Sie sah sich im Keller um, doch dort war nichts, was auf Leigh hinwies.
Ray zeigte ihr seine Architekturmodelle, die einen großen Teil des Arbeitstisches bedeckten. »Ich mache dreidimensionale Reproduktionen von Häusern, in denen ich als Kind gelebt habe.«
»Wow.« Kat neigte den Kopf zur Seite und musterte die naturgetreuen Modelle. In den tiefen Regalen darunter standen mehrere andere kleine Wohnhäuser, detailgetreu, inklusive Putz, Veranda, sogar die Hausnummern waren deutlich zu erkennen.
»Ich habe damit vor Monaten begonnen, bevor Leigh wegging. Es fing an, als … als sie …«
»Ja?«
»Nichts.«
Kat fuhr mit der Fingerspitze über das Dach eines Modells. »Das hier hat sogar eine Dachrinne. Einzelne Backsteine am Kamin.« Sie schob die Hand in eine kleine Küche. Der Wasserhahn über der Spüle ließ sich drehen. Sie zog die Hand zurück. »Wenigstens gibt’s kein fließendes Wasser. Noch nicht.«
Aber die Modelle waren verkabelt und hatten Strom. Er betätigte einen Schalter, um es ihr zu zeigen. Die Lichter gingen an, und die Häuser strahlten wie ein Dorf zu Weihnachten. Selbst die Schränke und Polstermöbel erhielten einen gemütlichen Schimmer.
»Das ist ja unglaublich«, sagte sie und dachte: Der Kerl ist wirklich krank.
»Ich habe mich in den vergangenen Monaten an die Häuser erinnert, in denen ich in meiner Kindheit gewohnt habe, und überlegt, wie ich mich dort gefühlt habe.« Er räusperte sich. »Nach einem Streit mit Leigh über unsere Zukunft dachte ich eines Abends: Wenn ich doch nur verstehen würde. - Sehen Sie diese Küchen? Ich wüsste nicht, dass außer meiner Mutter dort jemals jemand war. Ich habe sogar versucht, die Verstecke nachzubauen, die meine Mutter dort hatte, und reproduziert, was ich damals mit Reißnägeln an meine Zimmerwände gepinnt habe.«
»Hmmm, wenn ich Sie richtig verstehe«, meinte Kat und nahm die Modelle noch genauer in Augenschein, »dann leben Sie seit vielen Jahren nicht mehr in diesen Häusern.«
»Zuerst dachte ich, ich könnte die Vergangenheit irgendwie kontrollieren, indem ich sie reproduziere. Ich könnte … im Geiste die Puppen herumschieben, verstehen Sie? Sie dazu bringen, dass sie sich verhalten. Sich erklären.«
»Mensch, Sie sind ein wahrer Henry Darger. Nur dass der Gemälde von Kindern gemacht hat.«
»Aber bei mir hat es nicht funktioniert.«
»Nein. Sie arbeiten immer noch daran.«
»Ich frage mich, ob es möglich ist herauszufinden, was früher falsch gelaufen ist, wenn es mir gelingt, die Häuser im Detail richtig
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