Wo die Toten ruhen - Psychothriller
wir sie suchen. Sprechen wir mit ihr. Geben wir ihr die Gelegenheit, alles zu erklären, es wieder gutzumachen. Sie sollten aufhören, Phantomen hinterherzujagen, wenn da eine Frau aus Fleisch und Blut ist, die darauf wartet, dass man sie sucht!«
Er wirkte verdutzt über ihren scharfen Ton.
Sie setzte sich. »Falls wir sie finden und sie wirklich nichts mehr von Ihnen wissen will, kaufe ich Ihnen eine neue Schlinge, okay? Ich hänge sie sogar da oben auf und ziehe Ihnen den Stuhl unter den Füßen weg, wenn Sie wollen. Ich singe Ihnen eine Abschiedshymne oder rezitiere einen buddhistischen Gesang, das können Sie sich dann aussuchen.«
»Es war ein teures Seil.« Er lächelte schief. »Aber hören Sie, das ist nicht nötig. Ich habe eine ganze Weile auf dem Stuhl gestanden und das Ding angestarrt, bis mir klar wurde, dass ich noch nicht dazu bereit bin.«
»Selbstmord wirft einen Schatten auf das Leben vieler anderer Menschen. Denken Sie nicht mal mehr dran!«
»Okay, okay!«
»Okay, was?«
»Suchen wir sie. Wo fangen wir an?«
Kat stand auf und öffnete noch einmal die Schranktür. »Helfen Sie mir, die Schlinge da runterzuholen.« Sie kletterte auf den Stuhl, kam aber nicht an den Haken an der Decke, also stieg sie wieder herunter. Ray nahm ihren Platz ein und nahm den zerschnittenen Strick ab.
»Ist gut«, sagte Kat. »Ich verstaue ihn zusammen mit meinem kaputten Subwoofer in dem Kofferraum. Wenn ich schon dabei bin, kann ich gleich beides entsorgen. Morgen ist Samstag. Ich bin morgen früh wieder da. Durchsuchen wir erst einmal gründlich das Haus.«
»Okay.«
»Sind Sie bereit, sie zu suchen?«
»Ich muss, oder?«
»Sie müssen.«
»Okay«, sagte er noch einmal.
18
Ray öffnete die Tür nach dem ersten Läuten. Unten im Canyon wogten die sonnenverbrannten Blätter der Eukalyptusbäume im Wind. »Sie haben sich rasiert«, bemerkte Kat. Sie trat in das perfekt klimatisierte Haus ein. »Gott sei Dank.«
»Nun, wenn ich gezwungen werde zu leben, muss ich mich auch ertragen können.«
»Ich muss Sie auch ertragen können.«
»Ich nehme an, Sie haben einen Plan«, sagte Ray. »Sähe Ihnen zumindest ähnlich.«
»Lassen Sie uns Leighs Tagebücher und Papiere durchforsten und ihre Computerdateien anschauen.«
»Der Computer ist in ihrem Büro.«
»Dann ihre Post. Ihre Handyrechnungen.«
»In der Küche.«
»Hat sie ihre Kreditkarte benutzt?«
»Da habe ich mich gestern Abend, nachdem Sie weg waren, telefonisch erkundigt. Nein, hat sie nicht. Gehen wir doch zuerst nach oben und nehmen uns ihr Zimmer vor.«
Sie saßen einander gegenüber auf dem dicken, teuren Teppich in dem großen Schlafzimmer. Der Inhalt von Leighs Frisierkommode und Kleiderschrank - Kleidungsstücke, Tücher, Beutel und Unterwäsche - lag in Haufen um sie herum. »Was trug Leigh an dem Abend, als Sie sich gestritten haben?«
»Das weiß ich nicht mehr«, sagte Ray. »Den Polizisten habe ich einfach irgendwas erzählt.« Er überlegte. »Shorts. Ihr purpurrotes T-Shirt? Ein Lieblingsstück, mit V-Ausschnitt.«
»Ist es hier?«
Ray suchte danach, Kat half ihm.
»Es ist nicht da«, meinte er.
»Sie hatte es an?«
»Ja, ich glaube. Ihre Rykas sind auch nirgends. Sie ging nach oben, bevor sie verschwand, jetzt fällt es mir wieder ein. Vielleicht hat sie sich umgezogen. Ich war zu aufgebracht, um darauf zu achten, wie lange sie hier oben war.«
Das denkst du dir doch jetzt nicht aus?, wollte Kat gerade sagen, verkniff sich die Frage jedoch. Ray kam endlich in Fahrt. »Was hat sie außerdem mitgenommen?«
»Ich vermute«, sagte er, »wie ich auch schon der Polizei erzählt habe - obwohl das nicht ganz der Wahrheit entsprach -, dass sie eine Reisetasche mit T-Shirts, Jeans und Unterwäsche gepackt hat. Es fehlt nichts, was mir auffallen würde.«
Wie er auch der Polizei gesagt hatte. »Bewahrte sie irgendwo Bargeld auf?«, fragte Kat frustriert.
»Sie hatte immer Bargeld eingesteckt, weil sie gerne auf Flohmärkten nach Besonderheiten für ihre Möbelentwürfe suchte - und dort konnte man nur bar bezahlen. Oh, warten Sie, die tibetische Truhe, an die habe ich gar nicht gedacht.« Er sprang auf und ging zur Wandseite des Bettes, wo auf einer kleinen hölzernen Truhe in Betthöhe eine Metalllampe und ein paar Bücher standen. Er lachte leise in sich hinein.
»Was ist so witzig?«, fragte Kat nach.
Er hatte die kleine Truhe geöffnet und fingerte an dem Fach herum. »Kommen Sie mal her«, meinte er. »Vor ungefähr
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