Wo ist Thursday Next?
die nichts mit den Männern in Karos zu tunhatten, aber der Zusammenhang war doch recht offensichtlich. Außerdem hatte so ein Unfall in der Comedy nichts zu suchen, so etwas passierte eigentlich nur in den Thrillern, wo man keine fünf Meilen fahren konnte, ohne dass einem jemand den Kotflügel rammte. In der Comedy hätte man wenigstens eine gute Pointe erwartet. Aber vielleicht hatten wir sie bloß nicht bemerkt? Vielleicht gab es ja irgendwo Leute, die ein Pantomimenfeld lustig fanden.
Ich starrte aus dem Fenster und dachte über meine missliche Lage nach. Ein Schundroman aus einem Selbstverlag war abgestürzt, als er auf dem Weg zum Verschrotten war. Alle Spuren waren verwischt worden, und dann hatte man die unfähigste Ermittlerin, die man finden konnte, mit der Untersuchung beauftragt, damit der Fall schnell abgeschlossen werden konnte. Trotzdem hatten die Männer in Karos mich beinahe ermordet. Hatte es damit zu tun, dass ich Lockheed angelogen und Captain Fantastic unter einem falschen Vorwand auszufragen versucht hatte? Dass ich einen falschen Unfallbericht eingereicht und dann auch noch zerrissen hatte? Wenn man mir auf die Spur kam, würde ich garantiert unter Hausarrest in meiner Serie gestellt. Und Carmine und Sprockett würde man mir auch wegnehmen.
Im Grunde war jetzt der Zeitpunkt gekommen, das Ganze zu vergessen, meine Unfähigkeit zu akzeptieren und mich auf das zu konzentrieren, was eigentlich das Wichtigste für mich sein sollte: die Leserschaft der Thursday-Next-Serie zu steigern. Thursday konnte gut für sich selbst sorgen. Das hatte sie ja oft genug bewiesen. Das Beste war, wenn ich meinen Entschluss, friedlich in unsere Serie zurückzukehren, jetzt sofort Sprockett mitteilte. Dann würde ich nicht so leicht rückfällig werden.
»Sprockett?«
Er schrak aus seinem Stand-by-Modus hoch. »Möchten Sie einen Cocktail, Ma’am?«
»Nein, jetzt noch nicht. Ich wollte Ihnen nur sagen, dass ich beschlossen habe …« Seufzend rieb ich mir die Schläfen.
»Was denn, Ma’am?«
»Ach, nichts.« Ich sank in meinen Sitz zurück und verfluchte die Thursday in mir.
Der Zug verlangsamte seine Fahrt und hielt an der Grenzstation zwischen Fantasy und Comedy. Der beurlaubte Soldat fing an, nervös herumzuzappeln.
»Die Ausweise, bitte.« Ein Grenzbeamter stand in der Abteiltür, und wir fingen an, hektisch nach unseren Papieren zu suchen.
»Einen Augenblick«, sagte eine vertraute Stimme und Commander Bradshaw erschien im Korridor. Er zeigte seinen Jurisfiktion-Stern und sagte: »Ich übernehme die Sache hier.«
Der Grenzer salutierte und ging zum nächsten Abteil. Sprockett und ich standen höflich auf, und der Clown schloss sich an, weil er nicht abseits stehen wollte.
»Bitte behalten Sie doch Platz!«, sagte Bradshaw.
Nachdem wir uns alle wieder gesetzt hatten, zeigte er auf den Clown und fragte: »Soll das ein Witz sein?«
Sprockett fragte, ob er einen Cocktail trinken wolle, und ich sagte: »Das ist ein Obergefreiter im II. ClownsCorps, Unlogistik und Lachschub.«
»Ach, ja?«, lächelte Bradshaw. »Und was schmuggeln Sie, mein Freund?«
Der Clown seufzte resigniert und öffnete seinen Seesack, in dem mindestens zwanzig hoch brisante, nahkampftaugliche Sahnetorten steckten. Er war kein guter Schmuggler. Aber das waren die wenigsten.
»Dafür kommst du in den Bau, mein Junge«, sagte Bradshaw gelassen. »Sahnetorten sind in allen Genres verboten und auch in der Comedy streng rationiert. Aber ich will nicht so sein. Wenn du sie alle beseitigen kannst, ehe wir nach Gaiman Junction kommen, lass ich dich laufen.«
»Wie soll ich sie denn beseitigen?«
»Hast du keinen Löffel in deinem Seesack?«
Während der unglückliche Clown begann, die zwanzig Sahnetorten in sich hineinzufressen, erklärte uns Bradshaw, weshalb er eigentlich da war.
»Bitte sagen Sie Lorina
nicht
, dass sie mich anrufen soll«, brummte er. »Das war nur für Jobsworths Ohren bestimmt.«
»Das hab ich mir schon gedacht.«
»Ist sie immer noch so eine Nervensäge?«
»Ja. Manchmal denke ich, es wird immer schlimmer.«
Bradshaw warf Sprockett einen Blick zu, der sofort begriff, dass er nicht gebraucht wurde, und sich zusammen mit dem unglücklichen Clown, der inzwischen stöhnend bereits die neunte Torte verputzte, taktvoll nach draußen verzog.
Eine halbe Minute später kehrte er noch einmal kurz zurück und servierte den Chicago Fizz, den er für Commander Bradshaw gemixt hatte.
Als wir allein waren,
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