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Wo niemand dich sieht

Titel: Wo niemand dich sieht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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Margarita«, beschwerte sich Laura nuschelnd. »Ich weiß, ihr habt ein paar Limonen gepflückt. Hab Sherlock davon reden hören.« Ich knöpfte ihre beiden Hemden auf und untersuchte den Verband. Kein Blut. Gott sei Dank. Was sollte ich jetzt machen? Ich hatte zwar einen Erste-Hilfe-Kurs gemacht, aber das war’s auch schon. Ich entdeckte einen kleinen Fleck getrocknetes Blut, den ich übersehen hatte, als ich sie mit dem Alkohol abrieb. Ohne zu überlegen, kratzte ich ihn fort. Sie schlug die Augen auf.
    »Blut«, sagte ich. »Den Anblick auf deiner Haut kann ich nicht ertragen, Laura.«
    »Wie sehe ich aus?«
    Ich wollte ihr sagen, dass ich trotz allem ein Mann war und die Gedanken eines Mannes hatte, dass ich es liebte, ihre Brüste anzustarren und sie mit geschlossenen Augen zu streicheln und ihr zu sagen, wie schön sie war. Ein Insekt biss mich in die Fingerspitze. »Keine neue Blutung. Der Verband ist straff und sauber. Du schwitzt, und das ist gut. Guter, trockener Schweiß von der Sonne. Ich glaube, es ist am besten, wenn ich vorerst alles so lasse. Morgen früh werde ich den Verband wechseln und prüfen, wie die Wunde aussieht. Und jetzt, weil du eine so brave Patientin bist, kriegst du eine Belohnung.« Ich wickelte ein Snickers aus und brach ein Stück davon ab. Ich wedelte damit unter Lauras Nase. Sie sagte kein Wort, machte nur den Mund auf. Sie lächelte beim Kauen. Ich gab ihr den ganzen Riegel. »Gleich fängst du zu tanzen an von dem Zucker-High«, zog ich sie scherzhaft auf.
    »Sie kann ja mit Sherlock tanzen«, warf Savich ein. Er saß auf Sherlocks Decke und leckte sich die Schokoladenfinger ab.
    »Sherlock, geht’s dir jetzt wieder besser?«
    »Mir geht’s viel besser als dir, Laura. Hast du schlimme Schmerzen?«
    »Geht so. Leider muss ich hier liegen und zuschauen, wie Mac mein Snickers verputzt. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen, aber ihn rührt das nicht. Wenn ich könnte, würde ich ihm das Ding aus der Hand reißen.«
    Ich brach ein Stück ab und schob es ihr in den Mund. Sie schloss ekstatisch die Augen und kaute langsam.
    Ich zählte. Wir hatten noch fünf Snickers. Wir mussten mehr Obst finden, die Mangos reichten nicht. Bananen, dachte ich. Davon sollte es hier doch eigentlich reichlich geben, aber ich hatte noch keine gesehen. Ich hatte einen kleinen Ameisenbären vorbeiwatscheln sehen und versuchte mir vorzustellen, wie wir ihn über einem Feuer brieten. Ich sagte: »Alle mal herhören. Wir müssen die Augen nach etwas Essbarem aufhalten, vorzugsweise Obst, irgendwas, das man vom Baum pflücken und schälen kann, ja?«
    »Wir können ebenso gut gleich ein paar Mangos essen«, schlug Savich vor und begann auch schon mit dem Schälen und Verteilen. »Schön reif. Aufessen.«
    »Ich hab Streichhölzer«, verkündete Sherlock. Ihr tropfte der Mangosaft vom Kinn. »Wenn wir heute Abend irgendwo anhalten, machen wir ein Feuer. Das wird das Krabbelzeugs von uns fern halten.«
    »Damit kenne ich mich aus«, sagte Laura. »Mit Lagerfeuern. Hab die halbe Kindheit auf Campingplätzen verbracht und mich von Vätern und großem Bruder rumkommandieren lassen müssen. Hab ein paar Hickorybäume und Buchen gesehen. Sogar ein paar Eichen. Das ist Hartholz, gut für ein Lagerfeuer.«
    Sherlock kroch zu Laura. »Hier, ich hab noch einen Stoffstreifen. Ich werde dir einen Zopf flechten, damit dir die Haare nicht immer ins Gesicht baumeln.«
    Ich sah zu, wie Sherlock versuchte, Lauras langes, ziemlich verfilztes Haar zu flechten. Sie fuhr zuvor mit den Fingern hindurch, und es gelang ihr, es ein wenig zu kämmen. Außerdem pickte sie ein halbes Dutzend Insekten heraus. Das Beste, was sich über ihre Bemühungen sagen ließ, war, dass Laura die Haare jetzt tatsächlich nicht mehr ins Gesicht hingen.
    »Wie sieht’s aus?«, fragte Laura schwach.
    »Einfach umwerfend. Sherlock ist die geborene Friseuse, speziell mit so langem Haar wie deinem.« Ich wischte Laura mit einem angefeuchteten Hemdzipfel den klebrigen Mangosaft von Lippen und Kinn. Konnte mir nur zu lebhaft vorstellen, wie die Insektenwelt auf ein derartiges Angebot reagieren würde.
    Sie lächelte und schloss die Augen.
    Ich stand auf und streckte mich. Dann packte ich alles zusammen und hob Laura auf. Ich war jetzt an ihr Gewicht gewöhnt. Es fühlte sich gut an. Sorgfältig blickte ich mich nach allen Seiten um. Nichts Lebensbedrohliches in Sicht, weder von der menschlichen noch von der tierischen Sorte.
    Sherlock konnte Gott sei Dank

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