Wölfe der Nacht
schlafen?
Bobby Fremont ist einer von den Männern, deren Geld und Begeisterung ihnen erlauben, mit ihrem Leben genau das zu tun, was sie wollen. Beständig kommt oder geht er, nie steht er still, reist an Orte, wo Justin noch nie gewesen ist, tut Dinge, die Justin nie für möglich halten würde. Er erzählt Geschichten, oft laut und mit vielen kantigen Handbewegungen, über die Jagd von Dickhornschafen in Wyoming oder die Besteigung des Mount Cook in Neuseeland oder ein französisches Diner mit zwölf Gängen, das seinem Mund fast einen Orgasmus verschafft hätte. Er grinst immer und hat ein lautes Lachen, das einen von seinen sehr eng stehenden Augen ablenkt.
Einen Großteil der Grundstücke in der Umgebung von Bend hat er irgendwann einmal besessen, entwickelt und verkauft, bis hin zum Inn of the Seventh Mountain, dem Bend Athletic Club, Widgi Creek, River’s Edge. Er ist zum dritten Mal verheiratet – seine gegenwärtige Frau gehört zu denjenigen, die sich die Augenbrauen nachziehen und sich die Haare so blond färben, dass sie fast unsichtbar sind –, und sein wankelmütiger Frauengeschmack scheint seinem beständigen Wechsel von Einverleiben und Abstoßen von Grundbesitz zu entsprechen.
Vor langer Zeit muss es viele von seiner Sorte gegeben haben, vor allem hier im Westen. Männer, wild und hoffnungsvoll, die Land und Schürfrechten nachjagten, die Augen immer auf den Horizont gerichtet, auf das, was dort gerade golden glänzte.
Wegen Bobby sitzen Justin und sein Vater nun in einem Nebenzimmer des County Courthouse, um an einer öffentlichen Sitzung der Planungskommission teilzunehmen. Die Fenster sind hoch und schmal und lassen nur wenig Sonnenlicht herein, das zusätzlich noch von den holzgetäfelten Wänden geschluckt wird. Sie sitzen an einem langen Holztisch, der die gesamte Länge des Zimmers einnimmt und das Licht des schmiedeeisernen Lüsters, der darüberhängt, golden schimmernd reflektiert. Eine ganze Anzahl Männer in Lederwesten und schmalen schwarzen Western-Fliegen drängen sich um den Tisch, und an seinem Kopfende steht Bobby.
Er hat ein zu stark gebräuntes Gesicht mit feinen Fältchen um Augen und Mund. Er trägt sein weißes Haar lang und in der Mitte gescheitelt, sodass es wellig seine Stirn umspielt. Seine Augen sind blassblau und sein Blick direkt und berechnend. Heute trägt er ein Kakihemd mit Kragen, das er sich in die Jeans gesteckt hat, und um den Hals eine Cowboykrawatte mit silbernen Kordelspitzen.
Langsam entrollt er die Karte, und als er versucht, sie flach auf den Tisch zu legen und mit den Händen zu glätten, rollt sie sich wieder ein. Sein Anwalt und ein paar andere Männer, darunter Justins Vater, helfen ihm, Kaffeebecher von Starbucks auf die Ecken zu stellen, um das Land zu fixieren und straff und für jeden sichtbar zu machen.
Es ist eine Karte der Ochocos, die Höhenlinien wie die Kringel und Wirbel eines großen, komplizierten Fingerabdrucks, der ihnen aufgedrückt wurde. Mit rotem Stift ist auf der Karte eine Fläche von etwa zwanzig Meilen Länge und zehn Meilen Breite eingezeichnet – und mitten im Zentrum der tiefe Einschnitt eines Canyons mit einem Fluss, der sich hindurchschlängelt.
Neben dieser Karte entrollt er eine zweite, eine vergrößerte Version des rot eingezeichneten Gebiets. Von seinem Stuhl fast in der Mitte des Tisches aus kann Justin kaum erkennen, was in geschwungener schwarzer Schrift oben auf der Karte steht: Echo Canyon. Hier in dieser schwarz-weißen Darstellung sind die Bäume bereits gefällt und das Unterholz gerodet, ersetzt durch ein luxuriöses Bauprojekt. Die ausgesuchtesten Grundstücke liegen oben am Rand des Canyons, mit Blick auf den Golfplatz und die asphaltierten Radwege unten am Boden des Canyons.
Nach einer Weile sagt Bobby: »Das ist es.« Er klopft mit den Knöcheln auf den Tisch, legt dann die Hand unters Kinn und lässt den Blick durch den Raum wandern, kurz bei jedem Einzelnen der Männer verweilend. Er hat dieses spezielle Talent, mit Blicken Kontakte herzustellen, jedem in einer beliebigen Menge von Zuhörern das Gefühl zu geben, etwas Besonderes zu sein. »Eine unglaubliche – und ich meine eine wirklich prachtvolle Lodge aus Eisen und Holz, dreihundert Grundstücke, und das schnellste, beste Putting-Green in ganz Oregon.«
Alle beugen sich vor und spähen auf die Karte, als versuchten sie, sich die Asphaltstraßen, die Driveways zwischen Fluss und Felsen, die Sandbunker und Wasserlöcher vorzustellen, die
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