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Wölfe der Nacht

Wölfe der Nacht

Titel: Wölfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Percy
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Gewirr der Bürokratie verfangen. Es gibt Gerüchte, Tom wolle der Manager von Cascade Locks werden, andere sagen, das seien tatsächlich nur Gerüchte.
    Reden ist das, was Tom am besten kann, und Justin betrachtet ihn mit derselben verwunderten Freude, die ein Mäzen des Ortstheaters empfinden mag, wenn er einen Schauspieler eine neue Rolle spielen sieht.
    Seine Stimme hat einen melancholisch flehenden Klang, und im Neonlicht von der Decke erscheint sein Gesicht verschattet und wie scharf aus Lehm geschnitten. »Mein Großvater jagte im Echo Canyon. Der Großvater meines Großvaters ebenfalls. Für so viele Familien, nicht nur die meine, ist das ein heiliger Ort. Dort zu bauen ist nicht richtig.«
    Bobby räuspert sich und alle sehen ihn an. Zu beiden Seiten seines Gesichts verlaufen, von der Nase zum Kinn, tief eingeschnittene Furchen, wie Klammern, die andeuten, dass sich hinter dem, was er sagt, immer noch etwas anderes verbirgt. »Alles, was eben gesagt wurde, müssen wir natürlich erwägen und respektieren.« Er scheint dies mehr an den Reporter zu richten als an Tom. »Wir alle wissen sehr zu schätzen –«
    Tom hebt die Hand. »Bei dir klingt es, als hätte die Kommission sich noch nicht entschieden. Lass doch den Blödsinn. Wir reden seit einem Jahr darüber. Worüber soll man jetzt noch reden? Was kommt als Nächstes? Wird es eine Misswahl geben?«
    Bobby lächelt. Es ist ein Lächeln, das man nicht mögen soll. Er ist normalerweise ein angenehmer Mensch, aber Justin hat miterlebt, wie er einmal bei einer Grillparty explodierte, als er mit einem sehr liberalen, sehr freimütigen Kinderarzt über Ölbohrungen in Alaska in eine heftige Auseinandersetzung geriet. Der Streit endete damit, dass Bobby eine Bierflasche so heftig gegen einen Zaun schleuderte, dass es Schaumbläschen und Glassplitter regnete. Seitdem betrachtet Justin ihn mit anderen Augen, wundert sich immer über den Zorn, der knapp unter der Oberfläche seines Lächelns schwelt.
    In diesem Augenblick zuckt ein Muskel in Bobbys Unterkiefer. Dann legt er beide Hände flach auf den Tisch, links und rechts der Karte, und senkt das Gesicht knapp darüber. Die Silberspitzen der Kordel schwingen hin und her wie Abrissbirnen, die Papierwälder umreißen und Papiercanyons graben.
    »Eins habe ich an dieser Stadt nie gemocht«, sagt er in einem Flüsterton, den man deutlich hören soll. »Die ganzen verdammten Indianer.«
    Alle verstummen, als hätten sie Angst oder es wäre ihnen peinlich, Tom überhaupt anzusehen, der jetzt ein Geräusch macht, als würde er ein Niesen unterdrücken. Dann steht er so schnell auf, dass er seinen Stuhl umreißt. Seine Stiefel knallen auf den Boden. Er zeigt die Zähne. Er winkelt den Arm an und holt aus, um Bobby zu schlagen. Justin weiß, was passieren wird, bevor es passiert. Kein Tag vergeht, ohne dass sein Vater auf Streit aus ist. Er sagt fast: »Nicht!«, aber es ist zu spät: Sein Vater steht auf, um Tom zu stoppen, er streckt die Hand aus und fängt dessen Faust in der Luft ab. Es klingt, als würde ein Baseball satt in einen Fängerhandschuh knallen. Ihre Arme zittern unter der Spannung zwischen ihnen beiden. Dann gibt Tom auf. Er lässt die Hand sinken, bewegt die Schulter wie ein verletzter Baseballwerfer und starrt Justins Vater in die Augen. »Halt den Mund, Paul«, zischt er, obwohl Justins Vater gar nichts gesagt hat.
    Bobby schaut Tom an und hält sich die Hand vor den Mund, als wollte er sich davon abhalten, etwas zu sagen. Dann lässt er die Hand sinken, lächelt angespannt und sagt: »Das bringt uns mit Sicherheit nicht weiter.«
    »Ob wir jetzt nett sind oder nicht, ich weiß bereits, wie sie abstimmen werden. Deshalb kann ich ebenso gut auch nicht nett sein.« Tom lächelt und zuckt die Achseln. »Ich könnte dich ebenso gut auch fertigmachen, weißt du?«
    »Sehen Sie.« Bobby schaut den Reporter an und sagt mit einer Stimme, die seine Vernünftigkeit, seine Toleranz zu vermitteln versucht. »Sie müssen wissen, dass das alles sehr natürlich wird, praktisch ein Tribut an die Landschaft. Sogar eine Verbesserung. Und können Sie sich vorstellen, was das für die Grundstückswerte in Prineville und John Day tut?« Der letzte Satz ist an die Planungskommission gerichtet – und die alten Männer nicken und heben die Augenbrauen und spitzen die Lippen.
    Tom sieht aus, als wollte er noch einmal zu Bobby stürzen und ihn ins Gesicht schlagen. Dann scheint seine Laune sich plötzlich aufzuhellen und er

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