Wölfe und Kojoten
verspätet.«
»Tut mir leid.« Ich kannte keine
Entschuldigung, und er wollte keine hören.
Renshaw führte mich in einen
Eingangsbereich. Auf dem Parkettboden lag ein blauer chinesischer Teppich.
Hinter einem Mahagonitisch mit einer Jadeschüssel ging es in ein Wohnzimmer.
Durch die hohen Fenster blickte man in die Kronen der Eichen, die weiter unten
am Hang wuchsen. Im angrenzenden Eßzimmer saßen zwei Männer in grauen Anzügen
wie der Wachmann am Eingang. Der Tisch war übersät mit Geräten, die für eine
Telefon-Überwachung benötigt wurden. Die Männer rauchten und sahen gelangweilt
aus.
»Unsere Techniker sind noch hiergeblieben
für den Fall, daß sich die Kidnapper wieder melden«, sagte Renshaw.
»Hat sich seit unserem letzten Gespräch
noch etwas getan?«
»Nein.«
»Und das Akkreditiv ist noch immer
nicht eingelöst worden?«
Er schüttelte den Kopf. »Folgen Sie mir
ins Wohnzimmer. Mrs. Mourning wird gleich kommen.« Er ging vor und ließ sich in
einen Ledersessel fallen. Die Füße legte er auf den dazugehörigen Hocker,
während er an seiner Krawatte zerrte. Sie war um den Knoten herum ziemlich
zerschlissen, was darauf schließen ließ, daß sie traktiert wurde.
Ich setzte mich in einen zweiten Sessel
und genoß das weiche Leder. »Nettes Haus«, bemerkte ich.
Renshaw zuckte mit den Schultern und
schaute sich um. Man sah ihm an, daß er bisher noch keinerlei Notiz von dem
Haus genommen hatte.
»Ich fliege anschließend direkt nach
San Diego«, sagte ich. »Könnten Sie mir Namen und Telefonnummer Ihrer Freundin
geben, die für Sie den Kontakt mit Ripinsky gehalten hat?«
»Alicia Ferris.« Er schloß kurz die
Augen und besann sich auf die Nummer. »Haben Sie vor, mit unseren Leuten in La
Jolla Kontakt aufzunehmen?«
»Nein — aus den gleichen Gründen wie
Ripinsky.«
Er nickte. »Vielleicht brauchen Sie sie
aber in einem Notfall. Kessell ist inzwischen wieder da, wenden Sie sich also
direkt an ihn. Um ihn nach Büroschluß zu erreichen, brauchen Sie eine
Code-Nummer. Ich habe Ihnen eine zuteilen lassen, die gebe ich Ihnen
telefonisch durch. Wo steigen Sie ab?«
»Im Bali Kai.«
»Alle Spuren, auf die Sie eventuell
stoßen, dürften inzwischen verdammt abgekühlt sein. Außerdem haben unsere Leute
das Motel bereits durchgecheckt und Ripinskys Rechnung geprüft. Zimmerservice,
Bar, Restaurant und ein Ortsgespräch mit Alicia.«
»Sie sagen, er hat dort einen Wagen
gemietet?«
»Ja — bei Avis. Ist bisher noch nicht
zurückgegeben worden. Wir haben das Kennzeichen aus den Unterlagen des Motels.«
»Wie lautet es?«
Er zog ein Notizbuch aus der
Innentasche seiner Jacke und las es mir vor. »Goldfarbener Honda Accord,
diesjähriges Modell.«
Ich notierte Nummer und Beschreibung.
»Kennen Sie San Diego?« fragte Renshaw.
Diese Frage hatte ich erwartet. »Nicht
mehr sehr gut. Ich bin dort aufgewachsen, aber meine Eltern haben sich scheiden
lassen, und auch der Rest meiner Familie lebt überall verstreut.«
»Sie müssen doch Freunde dort haben.«
»Nicht mehr. Wahrscheinlich würde ich
kaum noch jemanden erkennen, wenn ich ihm auf der Straße begegnete. Aber keine
Sorge. Ich finde mich dort schon wieder zurecht.«
»Gut, was immer Sie brauchen... Ah, da
kommt Mrs. Mourning.« Er stand auf, als sie hereinkam.
Diane wirkte kleiner und schmaler als
auf dem Dia, das ich gesehen hatte — wahrscheinlich lag das an ihren engen
schwarzen Jeans und dem losen T-Shirt. Ihre blonden Locken waren seit der
Aufnahme des Fotos auf Kinnlänge geschnitten, und Kummerfalten hatten sich um
Augen und Mund eingegraben.
Sie nickte mir zu und forderte Renshaw
mit einer Handbewegung auf, wieder Platz zu nehmen. Sie selbst hockte sich in
eine Sofaecke und zog die nackten Füße auf den Sitz. Dennoch war ihre Haltung
nicht entspannt. Sie schien auf dem Sprung.
»Gage hat mir gesagt, Sie seien
engagiert, damit Sie sich um unsere mißglückte Lösegeldübergabe kümmern«, sagte
sie.
Falls ihre Ausdrucksweise Renshaw
kränkte, ließ er es sich nicht anmerken. »Ich fliege noch heute nach San Diego,
um nachzuforschen, wo sich Mr. Mourning, das Akkreditiv und der Mann befinden,
der es übergeben sollte.«
»Sie meinen, wo sich die Leiche meines Mannes befindet.«
»Nichts deutet daraufhin, daß er tot
ist.«
Diane Mourning wischte den Einwand mit
einer Handbewegung beiseite. »Die Kidnapper sind im Besitz des Akkreditivs. Das
steht fest, denn sie haben keine weiteren Forderungen gestellt. Glauben
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