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Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition)

Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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anderen auch?«
    »Nein. Die hätten mir ja doch nicht geglaubt.«
    »Tja, ich weiß nicht …«, seine Mutter beugte sich über seine Schulter und starrte den Bildschirm an. »Bist du sicher, daß es keine Verwechslung mit einem Hund sein kann? Einem Schäferhund vielleicht?«
    Jonas verneinte.
    »Wir sollten sie Papa zeigen, was meinst du?«
    Jonas nickte. Sein Vater arbeitete an der TiHo, der Tiermedizinischen Hochschule. Der kannte sich aus, aber leider war er an diesem Abend bei einem Vortrag und würde spät nach Hause kommen.
    »Jetzt ist es aber erstmal Zeit für’s Bett«, mahnte seine Mutter. Es war schon fast neun Uhr.
    Jonas schaltete den Computer aus, zog die Vorhänge zu und schlüpfte ins Bett. Trotz der dicken Bettdecke fror er ein wenig.
    Die Lampe über der Haustür sprang an und ließ die Fratzen der beiden Steinfiguren noch schauriger aussehen als bei Tag. Gargoyles seien eigentlich Wasserspeier, hatte Barbara ihr erklärt, und daß man sie früher, im Mittelalter, an Kirchen angebracht hatte, um das Böse abzuwehren. Nun verrichteten sie ihren Wachdienst rechts und links der Eingangstür auf kniehohen Sockeln. Bestimmt hatte die Katze oder ein anderes Nachttier den Bewegungsmelder ausgelöst. Eine Minute später lag der Hof wieder in völliger Dunkelheit. Eine halbe Stunde tat sich nichts, dann näherten sich Autoscheinwerfer. Ihr Licht wurde vom Nebel über den Feldern fast geschluckt. Erst als der Wagen vor dem Tor zum Stehen kam, überfluteten sie das Pflaster mit Licht. Nasrin hielt sich die Hand vor die Augen. Eine Wagentür wurde geöffnet, jemand stieg aus, tat ein paar Schritte, stieg wieder ein, eine Tür wurde geschlossen, dann drehten die Lichter ab und verwandelten sich in zwei rotglühende Punkte, die kleiner und kleiner wurden. Nasrin trug bereits ihre Jeans, jetzt schlüpfte sie in ihre Sportschuhe, zog den schwarzen Pullover über und ging nach draußen. Die Tür zum Gästehäuschen ließ sie angelehnt. Mit vorsichtigen Schritten schlich sie über das holprige Pflaster. Nach und nach stellte sie fest, daß es gar nicht so dunkel war. Im Norden war der Himmel erhellt, dort leuchtete die Stadt wie eine ferne Galaxie, und hinter den Windrädern war bereits ein silbriger Streifen zu sehen. Ein Geräusch, ähnlich dem Klappen einer Tür, ließ sie zusammenfahren. Sie horchte. Alles blieb still. Sie wollte gerade weitergehen, als sie den Schatten sah. Das Tier kauerte ungefähr drei Meter vor ihr, es hatte den Kopf eingezogen, die Hinterbeine halb aufgestellt, sprungbereit. Nasrin machte einen unsicheren Schritt zurück.
    Der Hund hob leicht den Kopf. Seine Augen funkelten in einem metallischen Blau. Sie hatte gehört, daß es von Hunden als Provokation empfunden wurde, wenn man ihnen in die Augen starrte, also wandte sie den Kopf ab. Dabei entdeckte sie einen weiteren großen, grauen Schatten. In derselben geduckten Haltung lauerte er zwischen ihr und der Tür des Gästehauses. Der Fluchtweg war ihr abgeschnitten. Nasrin hatte den Atem angehalten, und als sie jetzt Luft holte, entfuhr ihr ein ängstlicher Laut. Kaum war er verklungen, hörte sie ein dumpfes Knurren, das von überallher zugleich zu kommen schien. Da war noch einer. Mit nervenaufreibender Langsamkeit kam das Tier in seinem lautlosen Raubtiergang über den Hof. Die anderen beiden standen auf. Zu dritt umkreisten sie, witternd, ohne Hast, ihre sichere Beute. Angst ließ Nasrin erstarren. Das Knurren war verstummt, nun standen sie ruhig da. Es gab kein Entkommen. Vielleicht half es, mit ihnen zu sprechen?
    »Hallo, ihr …« Die gekrächzten Worte blieben ihr im Hals stecken, denn plötzlich sprang eines der Tiere in einem katzenhaften, fast spielerischen Satz auf sie zu und blieb eine Armlänge entfernt vor ihr stehen. Sein Maul stand offen. In reinstem Weiß leuchteten seine Eckzähne durch das Dunkel. Sie rang nach Luft, röchelte vor Schreck. Ein leiser Pfiff schallte durch den Hof. Drei Köpfe wandten sich im selben Moment von ihr ab, und wie an Schnüren gezogen strebten die Tiere in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Vor der Tür zu Klaras und Robins Haus ging eine Lampe an. Klara huschte durch den Lichtkegel, neben ihr der helle Hund.
    »Was treibt ihr denn da? Hierher! Rein mit euch, hopp!«, hörte sie Klaras Stimme. Wagentüren wurden geöffnet, geschlossen, ein Motor startete, Scheinwerfer flammten auf. Nasrin duckte sich rasch hinter einen großen Pflanzenkübel mit kümmerlichem Bewuchs.

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