Woelfin des Lichts
mich verstanden? Sie müssen sich keine ernsthaften Sorgen machen. Der Beinbruch und die Prellungen wurden versorgt. Wir konnten ihn bereits vor einer Stunde auf die Station verlegen. Soll ich Sie zu ihm durchstellen?“
„Ja, bitte.“
Nervös kaute Sara an ihrem Fingernagel. Zum ersten Mal seit ihrer Flucht hatte es Simon gewagt, ihren Bruder auf diese Weise zu bedrohen und das machte ihr furchtbare Angst. Bisher hatte er es dabei belassen, Marcel vor seinem Haus abzufangen und ihm harmlose Fangfragen Sara betreffend zu stellen, die ihr Bruder sofort durchschaut und dementsprechend abweisend darauf reagiert hatte. Scheinbar wurde Simon nun, seit Sara ihm vor Jahren das letzte Mal begegnet war, immer unberechenbarer in seinem Verhalten ihrem Bruder gegenüber.
Eine schwache Stimme rief sie in die Gegenwart zurück: „Sara? Ich konnte nichts dagegen tun. Ich habe versucht ihn mir vom Hals zu halten, doch er nutzte den Überraschungsmoment, um mich gekonnt aufs Kreuz zu legen. Wie hätte ich auch ahnen können, dass er mir im Dunkeln auflauern würde. Hat er dich angerufen und bedroht?“
Sara registrierte, wie ihr Bruder mühsam nach Atem rang, und ihr Griff um das Handy verstärkte s ich.
„Marcel, das ist jetzt nicht von Bedeutung, mach dir keine Gedanken darüber. Wie geht es dir?“
„Mit mir ist soweit alles in Ordnung, wenn man von meinem Bein und einer gebrochenen Rippe absieht, bin ich wohl glimpflich davon gekommen. Sara, er war so wütend auf dich! Und das nach der langen Zeit, die du schon fort bist, als ob ich etwas damit zu tun hätte. Ich weiß ja nicht einmal, wo du dich aufhältst!“
Schuldbewusst zuckte Sara zusammen.
Das habe ich nie gewollt. Ihn trifft keine Schuld, ganz im Gegenteil, er ist mir immer ein toller Bruder gewesen. Und das macht alles nur noch komplizierter ...
„Quatsch rede dir das bloß nicht ein, was soll er schon mit meiner Nummer anfangen können?“
„Vermutlich hast du recht“, hörte sie ihn sagen und registrierte, dass seine Stimme schwächer geworden war und sie daran erinnerte, dass er verletzt im Krankenhaus lag und erst vor kurzem operiert worden war.
„Mach dir bitte keine Sorgen, sieh lieber zu, dass du rasch gesund wirst. Ich melde mich morgen, okay?“
Kaum hatte Sara das Gespräch unterbrochen, stützte sie sich mit beiden Armen auf ihre Knie und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Wie gerne hätte sie sich auf den Weg nach Surrey gemacht um sich mit eigenen Augen zu vergewissern, dass es ihrem Bruder gut ging. Doch alleine der Gedanke ihrer Heimatstadt nahe zu kommen, schnürte ihr die Brust zu und erschwerte ihr das Atmen. In diesem Moment stürmte alles auf sie ein.
Ihre überstürzte Flucht aus ihrem früheren Zuhause. Die Suche nach einem Ort, an dem sie si ch niederlassen konnte, ohne Gefahr zu laufen von Simon, der es selbst nach so langer Zeit mit seiner Drohung ernst meinte, gefunden zu werden. Die Beziehung, die sie mit Jack eingegangen war und der anschließende Unfall ihres Bruders, der, wie sie jetzt wusste, keiner war. Dass alles zehrte an ihren Nerven, und ließ sie nicht mehr zu Ruhe kommen.
In den vergangenen Jahren hatte sie ihre Zelte ohne große Verluste hinter sich abbrechen können, wann immer sie das Gefühl hatte, Simon könnte in der Nähe sein und sie finden. Sie ahnte um seine Verbindungen, entgegen ihrer Vermutung schienen sie ihm nichts genützt zu haben, wenn er am Ende ihren Bruder attackieren musste, um die gewünschte Information zu erhalten. Normalerweise wäre es jetzt an der Zeit, schleunigst diesen Ort zu verlassen und weiterzuziehen, doch sie war der Flucht vor einem Phantom aus der Vergangenheit überdrüssig. Zudem hielt der Gedanke an Jack, den Mann, mit dem sie glaubte, glücklich werden zu können, davon ab ihre Sachen zu packen und klammheimlich zu verschwinden. Dieses Mal war sie nicht bereit, erneut davonzulaufen und ihre Chance auf ein wenig Glück für ein Hirngespinst aufzugeben. Obwohl sie sich wiederholt ins Gedächtnis rief, dass Simon keinen Anhaltspunkt über ihren Aufenthaltsort hatte und sie somit niemals finden würde, wuchs ihre Angst von Minute zu Minute. Außerstande eine Entscheidung zu treffen, rollte sich Sara, wie es ein verängstigter Wolf getan hätte, auf ihrem Bett zusammen.
Langsam begann sich Jack zu wundern, dass auch einen Tag später Saras Kleidung, die er am See aufgesammelt hatte, noch immer auf der Gartenbank lag. Eigentlich hatte er sich fest vorgenommen, Sara bis zu
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