Wofuer die Worte fehlen
Hause schicken, die er tatsächlich schon beim Gedanken an dieses Thema bekam. Er hasste die Bilder, die der Lehrer von einer Folie an die Wand warf, hasste die Filme und er hasste den Lehrer, für den all das nur bunte Bilder waren, der mit Ausdrücken wie Penis, Hodensack, Erektion und Samenerguss um sich warf, als wären es nur Worte, die es zu lernen galt.
Kristian war froh, als das Thema abgeschlossen war. Und dann kam Herr Mönck eines Morgens als Vertretung für den kranken Klassenlehrer. Statt normalen Unterricht zu machen, stellte er sich mit ernstem Gesicht vor die Klasse und sagte: »Ihr habt sicher in der Zeitung gelesen, was passiert ist. Eine Schülerin dieser Schule ⦠aus der zweiten Klasse â¦Â«
AuÃer Kristian hatten alle davon gehört.
Herr Mönck las ihnen die Geschichte aus der Zeitung vor:
Sie war ihrem Vater im Park davongelaufen, hatte sich verirrt,war von einem fremden Mann angesprochen worden. Der versprach, sie zu ihrem Vater zurückzubringen. Stattdessen zog er sie in ein abseits gelegenes Gebüsch und zwang sie, sich auszuziehen. Nachdem er sie missbraucht hatte, lieà er sie liegen und machte sich davon. Erst Stunden später fand der Vater seine Tochter.
»Und nun sucht die Polizei nach dem Täter«, sagte Herr Mönck abschlieÃend. »Aber ist nicht auch das Mädchen irgendwie mitschuldig? SchlieÃlich ist sie weggelaufen und mit dem Mann mitgegangen. Und der Vater? Hätte er nicht auch besser auf seine Tochter aufpassen können?«
Die Meinungen in der Klasse waren geteilt.
In Kristians Bauch fing es an zu grummeln. »
Du
bist in mein Bett gekommen!«, hörte er die vertraute Stimme in seinem Ohr. »Weil du einsam warst. Du wolltest doch kuscheln, oder nicht? Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dich in Mutters Bett zu holen.«
»Was ist eigentlich sexueller Missbrauch?«, wollte Monika wissen.
»Ist die dumm!«, kicherte Bernd. »Wenn jemand mit deiner Muschi rummachen will und du willst das nicht! Das ist Missbrauch!«
Herr Mönck war entsetzt über Bernds Ausdrucksweise, aber in der Sache gab er ihm recht. »Wenn dein Bauch dir sagt: âºNein! Ich will das nicht! Mein Körper gehört mir!â¹ und der andere kümmert sich nicht um dein Nein, dann ist das Missbrauch. Wenn du ein Mädchen bist, und jemand fasst deinen Busen an und du fühlst dich dabei schlecht, dann ist das Missbrauch.«
»Und bei den Jungen?«, wollte Juri wissen.
Kristian hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten. Er wollte das nicht hören, er hatte schon die ganze Unterrichtseinheit gehasst, so wie er überhaupt seinen Körper hasste, vorallem den unteren Bereich, wo der Penis langsam, aber deutlich gröÃer wurde.
Schon lange kam er nicht mehr in das Ehebett, wenn die Mutter in der Slowakei war. Katarina war ausgezogen und so hatte er das Kinderzimmer für sich alleine, tagsüber jedenfalls.
Nachts lag er in seinem Bett und konnte nicht einschlafen. Er horchte in die Nacht hinein, zuckte bei jedem Geräusch zusammen, fürchtete den Moment, wo die Tür aufging. Er stellte sich schlafend. Vergeblich.
Eines Nachts hatte er protestiert, aber da hatte der Vater, der ihn noch nie geschlagen hatte, sein Gesicht so fest ins Kopfkissen gedrückt, dass Kristian kaum noch Luft bekam. »Du hast damit angefangen! Du bist in mein Bett gekommen, nicht umgekehrt. Was glaubst du, wird deine Mutter sagen? Ihr Sohn verführt den eigenen Vater. Was wird sie sagen? Was tun? Wir beide wissen, dass sie keinen Fuà mehr über diese Schwelle setzen wird, wenn sie es wüsste. Also ist es besser, wir beide spielen weiter und schweigen!«
»Wenn jemand deinen Penis oder deinen Po anfasst â¦Â«, kam die Stimme des Lehrers durch Kristians Gedanken, »⦠oder wenn dich jemand zwingt oder überredet, Teile seines Körpers anzufassen oder anzuschauen, oder wenn er dich zwingt Pornos anzusehen, und du willst das nicht, dann ist das sexueller Missbrauch. Sexueller Missbrauch beginnt da, wo jemand zärtlich zu dir ist, um seine eigene Lust zu befriedigen, wo er dich zu Zärtlichkeiten drängt, über die du schweigen sollst, bei denen du dich benutzt fühlst â¦Â«
Kristian versuchte vergeblich, den Lehrer zu unterbrechen. Ihm war übel, schlieÃlich sprang er auf und rannte ohne Erlaubnis hinaus auf den Hof.
So versäumte er die abschlieÃenden
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