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Wofuer die Worte fehlen

Wofuer die Worte fehlen

Titel: Wofuer die Worte fehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Philipps
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dir mehr Mühe geben müssen. Wie soll sie dir helfen, wenn du dir nicht helfen lässt?«
    Â»Sie kann mir nicht helfen. Niemand kann das. Da muss ich alleine durch.«
    Nun klingt die Mutter verärgert. »Wenn du das so siehst, dann musst du da tatsächlich alleine durch. Aber mach mir hinterher keinen Vorwurf! Ich habe alles getan, um deiner Blasenschwäche auf den Grund zu gehen. Mehr kann ich nicht tun!«
    Er wartet, bis sie zur Arbeit losfährt. Dann geht er an den Wohnzimmerschrank und gießt sich ein großes Glas Sliwowitz ein. Keine fünf Minuten später breitet sich das wohlig warme Gefühl in seinem Bauch aus. Es hilft besser als alle Tabletten und alle psychologischen Analysen.

Für die Klassenfahrt meldet die Mutter ihn bei Klassenlehrer Malert nach – zur großen Freude von Kristians Freunden. Ob er selber Grund zur Freude hat, weiß er noch nicht. Vielleicht geht es gut, es passiert ja nur, wenn die Mutter für Wochen nicht zu Hause ist. Wenn sie da ist, bleibt das Bettlaken trocken.
    Aber ganz sicher ist das natürlich nicht. Manchmal passiert es, wenn Kristian träumt. Wenn er träumt, dass er sich von seiner Mutter am Bahnhof verabschiedet und dann mit dem Vater zurück in die Wohnung fährt. Wenn er von den Abenden vor dem Fernseher träumt, von den Frauen und Männern in den Filmen, und den Nächten, die diesen Filmen folgen.
    Diese Träume kommen und gehen, ohne dass Kristian es steuern kann. Und am Morgen sind seine Hose und das Bettlaken nass. Inzwischen erzählt er es nicht einmal mehr dem Vater. Er fürchtet die Verachtung in seinem Blick. Wenn es passiert, zieht er heimlich das Bett ab, wäscht das Laken in der Waschmaschine und steckt es dann in den Trockner, damit es abends wieder frisch aufgelegt werden kann.
    Niemand erfährt etwas. Niemand kann helfen.
    Er hat Angst vor der Klassenfahrt. Er sieht die hämisch lachenden Gesichter seiner Mitschüler vor sich. Nie wieder würde er sich in die Schule trauen. Wie ein Lauffeuer würde es durch alle Klassen gehen: Kristian pinkelt noch wie ein Kleinkind ins Bett! Ob seine Freunde weiter mit einem Bettnässer Fußball spielen wollen?
    Kristian hofft, dass es gut gehen wird.
    In den ersten Tagen scheint sich diese Hoffnung auch zuerfüllen. Kristian ist einfach nur glücklich. Kein Unterricht, keine Tests oder Arbeiten, keine Gefahr von schlechten Noten. Ein bisschen Bildung verpasst ihnen Herr Malert zwar durch die Besichtigung von zwei Kirchen und einem Museum, aber das lässt sich leicht ertragen. Es bleibt genügend Zeit für gemeinsame Spiele oder zum Kanufahren auf dem kleinen Fluss, der hinter dem Haus vorbeifließt.
    Im Erdgeschoss liegen die Jungenzimmer, die der Mädchen im ersten Stock. Am Ende der Flure die Zimmer für Lehrer und Sozialarbeiter, die verhindern sollen, dass nach 22 Uhr Besuche zwischen den Bewohnern der verschiedenen Stockwerke stattfinden.
    Aber trotz der Androhung fürchterlicher Strafen treffen sie sich jeden Abend auf einem anderen Zimmer, sitzen auf den Betten, albern herum und quatschen bis in die frühen Morgenstunden. Das Wecken am Morgen kommt um Stunden zu früh, die Augen lassen sich kaum öffnen, und doch ist Kristian seit Ewigkeiten nicht mehr so fröhlich aufgestanden wie in diesen Tagen.
    Und dann passiert ausgerechnet am letzten Tag noch etwas, das ihn aus heiterem Himmel wieder auf den harten Boden aufschlagen lässt.
    Alle Schüler mussten am ersten Tag ihre Handys abgeben. Nur zum Telefonieren mit den Eltern durfte man es sich kurz ausleihen und unter Aufsicht anrufen. Diese Regel wurde aufgestellt, weil vor einigen Wochen in der Schule jemand durch das geöffnete Fenster der Mädchentoilette heimlich Fotos mit dem Handy gemacht und ins Internet gestellt hatte.
    Es waren peinliche Fotos von Schülerinnen, die mit blankem Po auf der Toilette saßen, bei zweien war das Gesicht zu erkennen. Beate und Nancy.
    Tagelang kamen sie nicht mehr zur Schule. Sie schämten sich, Nancy hat inzwischen die Schule verlassen. Sie konntedie Hänseleien auf dem Schulhof nicht länger ertragen. Ihre Eltern haben versucht, die Fotos im Internet löschen zu lassen. Aber das ist eine schwierige Sache und viele hatten die Fotos längst auf ihre Handys heruntergeladen und zeigten sie herum.
    Es war das große Thema des Schulhofes; überall bildeten sich Trauben von Schülern, die über

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