Woge der Begierde
gebrochenen Armes und des verstauchten Knöchels und des Umstandes, dass er nur mit Hilfe eines Stockes gehen konnte - und das auch nur humpelnd -, bestand Adrian darauf, mit ihnen zu kommen.
Charles nahm Goodson beiseite und bat darum, dass ein Stuhl zur Südseite des Gebäudes gebracht werden sollte. »Der junge Master wird früher oder später dankbar dafür sein«, erklärte Charles halblaut, ehe er sich umdrehte und den anderen hinterhereilte.
Der Tag war unfreundlich, ein schneidender Wind blies über den Kanal, aber es regnete nicht, und die Sonne bemühte sich redlich, durch die Wolkendecke zu dringen.
Sie wussten in etwa, wo sie suchen mussten und auch wonach, sodass es nicht lange dauerte, bis sie die Außenwand der Treppe fanden. Wenn man ein Stück zurücktrat von den geschwungenen hohen Mauern der alten Normannenfestung, so waren die Einbuchtungen in dem Gemäuer nicht schwer zu entdecken. Charles sah, dass Leitern nicht reichen würden, um die verdeckten Schießscharten zu erreichen. Während die Diener sich rasch daranmachten, ein Gerüst zu errichten, gingen Charles und die anderen, gefolgt von einem humpelnden Adrian, auf die Suche nach dem Eingang.
Zu Sir Huxleys Lebzeiten waren die Gärten auf dieser Seite des Hauses nur selten benutzt worden und waren alle Pflanzen daher ungehemmt gewachsen. Aus den vereinzelten Bäumen konnte man schließen, dass die Gartenanlage hier einmal weitläufig gewesen sein musste, aber die Büsche, Gräser und Sträucher waren derart gewuchert, dass es mehr wie eine Wildnis aussah als ein Teil eines angelegten Gartens. Ein Dschungel aus Grünzeug drängte sich gegen die steinernen Grundmauern.
Charles, Julian und Marcus verteilten sich, untersuchten Stück für Stück die Wand, spähten durch das grüne Gestrüpp, in der Hoffnung, eine Tür zu entdecken. Die Zeit verstrich, ohne dass sie Erfolg hatten.
In der Zwischenzeit traf Goodson mit dem Stuhl für Adrian ein. Dem war es sichtlich peinlich, aber er war Charles auch für seine Umsicht dankbar und gab den Kampf auf, so zu tun, als bereitete ihm sein Knöchel keinerlei Beschwerden. Er setzte sich auf den Stuhl und seufzte erleichtert.
Von seiner Position aus hatte Adrian einen guten Überblick über die Vorgänge. Er beobachtete eine Weile die Pächter, die sich mit dem Aufbau des Gerüstes plagten, dann wandte er seine Aufmerksamkeit der Suche nach dem Eingang zur Treppe zu. Er war es bald leid und bereute es, dass er nicht im Haus geblieben war. Er schaute sich in dem vernachlässigten Garten um und beschloss, mit dem Obergärtner ein Wort zu reden, damit auch dieser Teil wieder in Ordnung gebracht wurde. Schließlich blieb sein Blick wieder an der Mauer hängen. Er betrachtete die leicht geschwungene Wand eine Weile, dann wieder die anderen, wie sie Zweige und Büsche zurückbogen, um dahinterzusehen. Gelangweilt starrte er auf die Mauer vor sich, deren Vorderseite von mehreren Fliederbüschen verdeckt war.
Er hatte die dunkle Stelle im Mauerwerk schon eine Weile angestarrt, als er plötzlich erkannte, was er da vor sich hatte. Er stand auf und hinkte zur Mauer. »Hierher!«, rief er aufgeregt. »Ich denke, ich habe etwas gefunden.«
Adrian hatte den Eingang entdeckt, den die anderen so gründlich, aber leider vergeblich gesucht hatten. Die uralte schwere Holztür war mit riesigen schwarzen Eisenangeln in der Wand verankert. Vom Alter nachgedunkelt war das Holz inzwischen fast so schwarz wie die Scharniere und hinter dem ausladenden Fliederbusch praktisch nicht zu sehen.
»Wenn wir nicht eigens danach gesucht hätten«, bemerkte Charles, »hätten wir hundert Mal hier vorbeikommen können, ohne dass sie uns aufgefallen wäre.« Adrian anerkennend auf die Schulter klopfend sagte er: »Ausgezeichnete Arbeit, Adrian. Man bedenke nur, dass ich versucht habe, dich dazu zu bewegen, im Haus zu bleiben.«
Adrian wurde rot. »Ihr hättet es auch irgendwann entdeckt«, erklärte er bescheiden.
»Aber nicht so schnell«, erwiderte Julian und lächelte freundlich. »Und du hast sie gefunden.«
Eine nähere Untersuchung enthüllte, dass hinter den Fliederbüschen ein schmaler Pfad am Haus entlanglief, wo die Äste nicht ganz bis zur Mauer reichten. Charles’ Mund wurde schmal, als er die Stelle betrachtete. Es war kein natürliches Phänomen - die Fliederbüsche waren absichtlich beschnitten oder abgebrochen worden, um den tunnelartigen Weg entstehen zu lassen. Eine Art Geheimweg, dachte er mit einem
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