Wogen der Sehnsucht
aufzulegen. Dabei war es nicht so, dass sie nicht mit ihrer Freundin reden wollte. Aber sie war einfach nicht sicher, wie sie es erklären sollte.
„Ich bin schwanger.“
Als sie die Worte aussprach, spürte sie, wie sich der wirbelnde Nebel der Verwirrung ein bisschen hob und die Sicherheit zurückkehrte. Denn schließlich war das der eigentliche Grund für alles, was passiert war. Ein Sonnenstrahl mitten im Nebel.
„O, Lily!“ Scarlets Stimme klang warm, aber Lily konnte die Sorge und den leichten Vorwurf darin hören. „Das ist wundervoll. Ich meine, wirklich wundervoll … aber, Darling …“ Sie hielt abrupt inne. „Ist Tristan da?“
„Nein. Er ist schon vor einer Weile gegangen.“ Lily wusste nicht, wohin. Oder warum oder zu wem. Er hatte es ihr nicht gesagt, und sie hatte keine Fragen gestellt. Das waren seine Bedingungen gewesen, und sie verstand, dass sie sich daran halten musste. Egal, wie schwer es fiel.
„Gut, dann können wir offen reden.“ Scarlets Stimme wurde plötzlich geschäftsmäßig, was Lily als schlechtes Zeichen deutete. „Hör zu, das mit dem Baby freut mich wirklich riesig für dich. Ich bin überrascht“, sagte sie etwas säuerlich, „aber ich weiß, wie viel es dir bedeutet, eine Familie zu haben. Und genau deshalb mache ich mir Sorgen …“
Sie beendete ihren Satz nicht. In dem kurzen Schweigen, das folgte, schob Lily die Musselinvorhänge zurück und blickte aus dem Fenster auf den Platz hinaus. Direkt gegenüber konnte sie die hohe Tür in der beschädigten Wand sehen, durch die Tristan sie gestern geführt hatte, die Tür, durch die sie kurze Zeit später als seine Frau wieder herausgetreten war.
„Du hättest ihn nicht heiraten müssen.“
„Doch, das musste ich“, erwiderte Lily leise. „Verstehst du denn nicht? Ausgerechnet ich kann das Baby nicht ohne einen Vater oder einen Namen aufwachsen lassen … ich weiß, wie unfair das dem Kind gegenüber wäre.“ Sie hielt inne und beobachtete zwei Tauben, die im Brunnen in der Mitte des Platzes badeten und schimmernde Tropfen auf das ausgetretene Kopfsteinpflaster spritzten. „Und es wäre auch unfair Tristan gegenüber, wegen seiner Stellung. Wegen dem, was er ist.“
„Was er ist? Er ist ein Playboy, Lily! Er ist ein unglaublich gut aussehendes, charismatisches Alpha-Tier. Aber er ist kein idealer Ehemann!“
„Bis jetzt macht er sich ganz gut.“
Scarlet schnaubte ungehalten. „Da bin ich sicher“, erklärte sie beleidigt. „Aber zu einer Ehe gehört mehr als Sex, weißt du.“
Lily blickte auf das leere Bett, auf dem sie sich letzte Nacht so ausgiebig und leidenschaftlich geliebt hatten, und spürte, wie ihr Lächeln schwand und Schmerz ihren müden, befriedigten Körper durchzuckte. Nicht zu dieser Ehe, dachte sie traurig. Jedenfalls nicht, was ihren Mann anging.
Tristan kehrte am frühen Nachmittag zurück und brachte mehrere teuer aussehende Tragetaschen mit. Er stellte sie neben der Tür ab, zog sich auf dem Weg zum Bett das Jackett aus und warf es auf einen Stuhl.
Lily, die im Bett lag und Don Quijote las, spürte, wie sie sofort vor Verlangen dahinschmolz. Es war, als hätte sie während der kurzen Zeit, die er fort war, schon vergessen, wie attraktiv er war.
Unglaublich gut aussehend und unglaublich … stark. Er füllte das Zimmer mit seiner Anwesenheit aus und veränderte die Atmosphäre vollständig. Herrschte eben noch trauter Frieden, war jetzt eine merkwürdige dunkle Stille zu spüren, die einem Sturm vorausgeht.
„Was liest du da?“
„Don Quijote“, murmelte sie.
Er lachte spöttisch auf. „Wie passend. Der letzte romantische Idealist.“
Lily legte das Buch weg und senkte den Kopf, damit er nicht sah, wie sehr seine Worte sie verletzten. „Du warst ewig weg“, sagte sie, einfach um ein Gespräch anzufangen, bereute es jedoch sofort. Er drehte sich um und ging schlecht gelaunt zu den Taschen zurück, die er an der Tür abgestellt hatte.
„Ich hatte geschäftlich zu tun“, erklärte er knapp. „Ein Treffen, dem ich nicht fernbleiben konnte.“ Seine Worte klangen unverfänglich, aber sein ganzer Körper wirkte angespannt, als er die Taschen aufhob und sie neben sie aufs Bett stellte. „Auf dem Rückweg habe ich dir noch das hier besorgt.“
Zögernd zog Lily die erste Tasche zu sich heran, blickte vorsichtig hinein und zog ein dünnes Paket heraus.
„Was ist das?“
Während er auf sie zukam, knöpfte er ungeduldig die beiden obersten Knöpfe an seinem Hemd
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