Wolf inside (German Edition)
antrinken.
Aus der alten Musikanlage hinter dem Tresen schrabbelte ein uralter Countrysong. Ich hatte Sully schon so oft geraten, eine neue Anlage aufzustellen, doch er behauptete, seine Gäste wollten das nicht. Ich war auch Gast, und mir taten die Ohren weh. Aber was die Qualität einer guten Anlage betraf, war ich auch verwöhnt.
Ich drängelte mich an ein paar Landeiern vorbei, die aussahen als suchten sie ein verbotenes Abenteuer. Sie hatten innigen Blickkontakt mit zwei süßen Mädels. Als der eine Typ sein Bierglas hob, konnte ich die helle Stelle sehen, an der sonst ein Ring saß. Sollte ich ihnen sagen, dass die beiden Professionelle waren?
Die rote Rita und LeeAnn – konnte mich noch gut an sie erinnern, hatte sie mal hoch genommen. Sie erinnerten sich wohl auch an mich, denn als sie mich erkannten, formten ihre hübschen Münder ein eindeutiges Wort. Ich zeigte ihnen meine finsterste Miene, deutete nur mit dem Daumen Richtung Tür. Trollt euch, hieß das.
Oh Wunder, sie gehorchten. Maulend, aber immerhin.
Ich watete weiter, bis ich den Tresen erreichte. Als sich eine Lücke auftat, enterte ich ihn.
Als Sully mich ansah, griff er wortlos unter die Bar und zog seine Spezialflasche hervor, holte ein paar Eiswürfel und schenkte ein. Genau einen Fingerbreit.
Das, was er da einschenkte, war ein ganz besonderer Whiskey. Sein alter Onkel zweiten oder dritten Grades, ein echter Redneck aus den Bergen, braute ihn selber. Einmal im Jahr machte Sully sich dann auf und holte den Whiskey ab. In einer dicken, alten Ballonflasche. Niemand wusste, wie viel Prozent dieses Gesöff hatte.
Ein Schluck davon, und man vergaß, wie man hieß. Ein Glas, und man brauchte einen Blindenhund. Mein Rekord waren zwei volle Wassergläser. Pur. Damals, nach Mikks Tod. Seit dem fehlten mir circa drei Tage in meinem Leben.
„ Harter Tag!“, stellte er fest und schob mir sein Spezialgebräu zu. Ich warf einen Blick in den Spiegel. Sah ich so mitgenommen aus, dass er mir dieses Teufelszeug spendieren musste? Als ich die Schramme auf meiner Stirn sah, dicht am Haaransatz, wusste ich es. Sully hatte es sofort erkannt, denn auch er war früher mal ein Cop gewesen.
Als Antwort zuckte ich nur mit den Achseln. Das Übliche eben.
Sully machte Abe, der heute ausnahmsweise auf meinem Stammplatz saß, ein Zeichen.
„ Komm Jungchen, setz dich, muss wohl nach Haus. Is’ schon spät. Machen sich sonst Sorgen.“ Abe rutschte vom Hocker. „Ich zahl morgen, gibt wieder Taschengeld.“
„ Lass mal, Abe, ich zahl’s für dich.“ Nun machte ich Sully ein Zeichen. Er sollte es auf meinen Deckel schreiben. Der Alte strahlte mich an und schlappte davon.
Ich ließ mich auf dem Hocker nieder und starrte den Drink an, als würden ihm gleich Hörner wachsen.
„ Also, was war?“
„ Hab einen Fall abgeschlossen. Und einen neuen Klienten. Du kennst ihn, den Jungen“, ich zeigte auf den kleinen Tisch, an dem Sandro gesessen hatte, „da drüben.“
Mit Todesverachtung nippte ich an dem Glas, befeuchtete eigentlich nur meine Lippen. Zuerst passierte nichts, doch dann, nach zwei Sekunden hatte ich das fiese Gefühl, das mein Hals zuschwoll. Ich bekam keine Luft, Tränen schossen mir in die Augen und meine Kehle brannte, als hätte ich Salzsäure mit Chilisoße getrunken.
Sully grinste nur. „Geht’s? Oder soll ich den Rettungsdienst rufen?“
„ Geht!“, japste ich tonlos. Ist immer schön, wenn der Schmerz nachlässt. Angenehme Schwere breitete sich in meiner Blutbahn aus. Der erste Schluck war der schwerste. Dann wurde es besser.
Sully verschwand wieder, er hatte alle Hände voll zu tun. In einer Tour musste er Bier zapfen, Cocktails mixen und Gläser spülen. Die Kasse klingelte.
Eine Weile tat ich gar nichts, schaute im Spiegel den Leuten zu, wie sie sich unterhielten, zusammen lachten, sich anbalzten. Hin und wieder nuckelte ich an meinem Glas. Zu jedem, den ich beobachtete, überlegte ich mir eine Story. Das war ein Tick von mir.
Zu der großen Gestalt, die gerade durch die Menge gepflügt kam, fiel mir spontan nur eines ein. Nämlich, dass ich noch mal einen Ringkampf mit ihm starten wollte.
Cruiz van der Veermers stellte sich lässig mit dem Rücken an die Theke, lümmelte einen Ellenbogen auf und schaute sich um. „Netter Schuppen. Was machst du hier?“
Ich hob mein Glas. „Schlummertrunk. Und du?“
„ Dich suchen.“
„ Hast mich jetzt gefunden. Was ist?“ Hatte Sandro ihn angerufen? Bei mir hatte er sich nicht
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