Wolf inside (German Edition)
ein zweifelhaftes Wunder erleben.
10
‚ Guter Tag zum Sterben!’ – das hatte der Typ damals gebrüllt. Bevor er meinen Partner Mikk erschoss. Und ich ihn.
Für einen Moment stand ich nur so da, an den klobigen Van gelehnt, mit geschlossenen Augen. Sah wieder diesen irren Blick, die unmissverständliche Botschaft darin. Doch ich wusste nicht, ob es Pauls Augen oder die des Gangsters waren. Wahrscheinlich waren sie von beiden.
Der kühle Herbstwind fuhr mir über mein Gesicht, spielte mit meinen Haaren, rauschte in den Bäumen, die um den Parkplatz herum standen. Ich hörte, wie die Blätter auf dem Boden aufgewirbelt wurden. Es roch nach feuchter Erde und Kaminfeuer. Jetzt, wo alles vorbei war, merkte ich erst, dass mir die Hände etwas zitterten.
Ich sah nicht hin, atmete einmal tief durch und stopfte sie in die Hosentaschen. Als ich meine Augen wieder öffnete, stand der Wolf vor mir und schaute mich an. Ich suchte seinen Blick, ja, ich wusste, man soll wilden Tieren nicht direkt in die Augen sehen, doch in diesen Augen sah ich … Verständnis? Klugheit? Für einen Moment war da was, das verband uns. Keine Ahnung, wie ich es beschreiben soll.
„ Hast du schon mal jemanden getötet?“ Die Frage war heraus, bevor ich nachdenken konnte. Der Wolf legte nur den Kopf schief und gab ein leises Geräusch von sich. Seine Ohren spielten vor und zurück, der Wind fuhr durch sein weiches, dichtes Fell. Es sah aus, als lausche er sehr aufmerksam. „Es ist nicht so einfach, einen Menschen zu töten, glaub mir. Man muss schon sehr verzweifelt sein, oder sehr abgebrüht.“ Paul war verzweifelt. Der Bankräuber, der Mikk erschoss, war abgebrüht. Und ich … An dieser Stelle weigerte ich mich regelmäßig weiterzudenken.
Der kalte Wind wehte mir die Haare ins Gesicht. Fröstelnd zog ich die Schultern hoch und stieß mich vom Wagen ab. „Komm, wir fahren.“ Ich ließ den Wolf hinten in den Van. Dann stopfte ich mein Halfter und die Waffe in den kleinen Geheimtresor und schloss ab. Jetzt war ich wieder außer Dienst. Und da trug ich keine Waffe.
Nun musste ich nur noch eines erledigen. Ich griff noch einmal mein Handy und wählte Sandro an. Ich wartete kurz, bis er sich meldete. „Falls du den Bettvorleger vermisst, der ist bei mir! Und mein Freund, darüber reden wir später.“ Dann legte ich wieder auf.
Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es zehn durch war. Es war inzwischen stockdunkel, leichter Nieselregen setzte ein.
Während die Wischer quietschend über die Scheibe schrammten, war ich mit meinen Gedanken meilenweit entfernt.
Ich war erledigt, aber nicht so, dass ich jetzt so ohne Weiteres schlafen konnte. Es war mehr so ein aufgedrehtes Erledigtsein. Was nur verständlich war.
Schusswaffen an meinem Kopf und Streifschüsse im Scheitel hatten nun mal diese Auswirkung auf mich. Würde ich jetzt nach Hause fahren, würde ich keine Ruhe finden. Also wollte ich noch bei Sully vorbei.
Ich fuhr den Van ein Stück weiter die Straße rauf, dort hatte Sully eine Garage gemietet, vor die durfte ich mich stellen. Ich war gerade herausgeklettert, da sprang der Wolf mit einem großen Satz an mir vorbei und verschwand im Dunkel. Zuerst wollte ich ihn zurückrufen, doch dann ließ ich ihn laufen. Der konnte auf sich selber aufpassen. Und ich glaubte nicht, dass er unschuldige Jungfrauen fressen würde. Außerdem hatte er noch was gut bei mir.
Vor der Bar standen ein paar ganz Unverzagte und qualmten. Weder der kalte Wind, der jetzt die Straße entlang fegte, noch der Regen konnte sie daran hindern. Meine Zeit als Raucher lag schon Jahre zurück. Ich muss fünfzehn gewesen sein, da probierte ich damit herum. Wurde natürlich von meiner Mom erwischt. Hu, war die sauer! Zuerst redete sie nicht mit mir, dann versprach sie mir eine Jahreskarte, wenn ich aufhörte. Für meine Lieblingsfootball-Mannschaft. War ein cooler Deal.
In der Bar war es jetzt, um diese Uhrzeit, richtig voll. Am Tresen drängelten sich durstige Kehlen, auch die kleinen Tischchen waren gut besetzt. Für einen Augenblick blieb ich an der Tür stehen und sah mir das bunte Treiben an. Der Geräuschpegel war hoch, es summte wie in einem Bienenstock.
Ein paar der Gäste waren mir zumindest vom Sehen bekannt, doch eine Gruppe schien Touristen zu sein. Sie hatten diesen etwas eingeschüchterten Gesichtsausdruck. Wahrscheinlich wollten sie einen draufmachen, trauten sich aber noch nicht in die einschlägigen Etablissements und mussten sich Mut
Weitere Kostenlose Bücher