Wolf Shadow Bd. 6 - Blutmagie
Entweder das eine oder das andere oder beides zusammen. Also, wir streiten uns so, wie es zu uns passt, aber du und Lily, ihr seid anders. Ihr regt euch nicht über Kleinigkeiten auf, und das ist gut so. Ihr verhandelt eher, statt zu streiten. Aber dann und wann muss es bei jedem Paar einmal aus irgendeinem wichtigen Grund richtig krachen.“
Sie waren bei dem Aufzug angekommen. Er drückte den Knopf. Sie würde ihn bald geknackt haben, das wusste er. „Es war ein wichtiger Grund.“
„Das habe ich mir gedacht.“
„Und ich hatte recht.“ Das klang etwas zu heftig.
Cynna prustete.
„Aber ich hatte auch unrecht. Der Zeitpunkt, es anzusprechen, war falsch und auch die Art, wie ich es gemacht habe. Ich war mir nicht im Klaren darüber …“ Er war über das, was er gesagt hatte, beinahe genauso überrascht gewesen wie Lily. „Ich wollte ihr das gerade jetzt nicht einfach so vor den Kopf knallen. Meine Gefühle waren verletzt. Und als ich einmal angefangen hatte, konnte ich nicht mehr aufhören.“
„Es wäre ja auch merkwürdig, wenn der Mensch, der dir am wichtigsten ist, deine Gefühle nicht verletzen könnte, oder?“
„Du hast mich gerade daran erinnert, warum ich dich so mag.“
Cynna lächelte. „Gut.“ Sie reckte sich – aber nicht sehr, das war nicht nötig – und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Ruf sie an. Dann fühlst du dich besser.“
Er lächelte nicht zurück, aber er fühlte sich bereits jetzt schon besser. „Kümmere dich um deinen Bann.“
„Das mache ich.“ Sie gab ihm einen Klaps auf den Po. „Sag Lily nicht, dass ich das getan habe.“
Jetzt grinste er doch.
Sie wedelte mit den Fingern als Abschiedsgruß und ging den Flur zurück. Der Aufzug meldete sich.
Zwei Personen stiegen aus. Als er einstieg, musterte er sie genau, auch wenn es wenig Sinn hatte, und stellte fest, dass es weder jemand war, den er erwartet hatte hier zu sehen, noch jemand, den er kannte. Vielleicht bedeutete das, dass sie die waren, die sie zu sein schienen: ein älterer Mann mit dunklem Haar und dunkler Haut, in Khakihosen und einem kurzärmligen Hemd, und ein Mann in einem marineblauen Anzug, an dem ein Namensschild steckte. Beide rochen nach Mensch. Sie redeten nicht miteinander oder machten die kleinen Gesten, die auf eine Freundschaft oder Bekanntschaft hingedeutet hätten.
Nur um sicherzugehen, hielt Rule die Aufzugtüren auf, um zu sehen, wohin sie gingen – auf direktem Weg zur Schwesternstation, wo der Mann im Anzug als Doktor Soundso begrüßt wurde und der in den Khakihosen nach Zimmer Nummer 421 fragte.
Er ließ zu, dass die Türen sich schlossen, und drückte den Knopf, auf dem B stand.
Der Aufzug war langsam. Quietschend hielt er im dritten Stock, wo eine junge Krankenhauspraktikantin zustieg. Sie war blond und munter und roch nach Mensch … und so, als sei sie interessiert. Sie warf einen Blick auf die Knöpfe und lächelte ihn kokett an. „Ich fahre auch hinunter zum Mittagessen. Hätten Sie etwas gegen Gesellschaft?“
„Das wäre wunderbar“, sagte er, als sich die Türen wieder schlossen, „aber leider hole ich nur für meine Freunde etwas und werde nicht in der Cafeteria essen.“ Der Aufzug setzte sich schwankend in Bewegung. Mir geht es gut, sagte er sich.
Das Lächeln des Mädchens wurde nicht schwächer. Sie hatte Grübchen. „Sind unter den Freunden auch Frauen?“
Er lächelte zurück. Eigentlich müsste er jetzt fest, aber freundlich ein „Nein“ zu verstehen geben, aber sie war süß und hübsch und roch gut. Wieso sollte er sie nicht wissen lassen, dass sie ihm gefiel? „Eine, ja. Aber sie ist nur eine Freundin. Meine Verlobte wird –“
Das Licht ging aus. Der Aufzug kam mit einem Ruck zum Stehen. Eine Sirene ging los, und die Praktikantin schrie.
„Alles in Ordnung“, sagte Rule beruhigend, obwohl sein Herz vor Panik raste. In der Falle – er saß in der Falle –
„D-das ist der Feueralarm“, sagte das Mädchen. Eine kleine Hand packte seinen Arm und drückte ihn. „Es brennt. Wir müssen hier raus. Es brennt.“
Sie hatte recht. In der völligen Dunkelheit der kleinen Kiste, seine Sinne durch Angst geschärft, roch Rule die Panik des Mädchens – und Rauch. Nur schwach. Ohne Elektrizität brachte auch die Lüftung keine neue Luft in ihr hängendes Gefängnis.
Wir haben genug Luft , sagte er sich. Genug Luft .
„Gibt es hier nicht eine Fluchtklappe?“, sagte sie und umklammerte seinen Arm noch fester. „Ich kann nichts sehen. Ich
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