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Wolfgang Hohlbein -

Wolfgang Hohlbein -

Titel: Wolfgang Hohlbein - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Inquisito
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eines anderen Menschen zu spüren. Er spürte, wie die Gestalt hinter ihm stehenblieb und die Hand hob, wie ihre Finger sich seiner Schulter näherten und kurz davor verharrten und sich schließlich darauf senkten.
    Die Berührung brach den Bann. Pater Tobias schrie auf, schlug in blinder Panik um sich und brach mit einem einzigen entsetzten Schritt durch das dornige Gestrüpp, um aus dem verteufelten Rund des Hexenkreises hinauszutaumeln.
    Er versank bis zu den Knöcheln im Morast, der sich an seinen nackten Füßen festsaugte, als wolle er ihn festhalten.
    Und die Berührung der giftigen Pilze brannte wie Säure auf seiner Haut. Trotzdem taumelte er weiter, bis er schließlich das Gleichgewicht verlor und auf Hände und Knie herabfiel.
    Es war das Entsetzlichste, was er jemals erlebt hatte. Kein Sturz auf sumpfiges Erdreich, sondern vielmehr ein Gefühl, als pralle er auf den Rücken eines gewaltigen, lebenden Dinges, einer bösartigen, schwarzen Kreatur, die direkt aus den tiefsten Abgründen der Hölle emporgestiegen war. Halb wahnsinnig vor Angst und Ekel bäumte er sich auf, riß die Hände in die Höhe und starrte auf das widerliche Gemisch aus schwarzen Erdbrocken und zermalmten Pilzen, das an seinen Fingern klebte. Er schrie, aber selbst seine eigene Stimme war nicht mehr seine Stimme, sie war ein hohes, panikerfülltes Kreischen, das in den schwarzen Abgründen zwischen den Bäumen zu versickern schien wie ein Licht-strahl in einem bodenlosen Schacht. Kein Echo kehrte zurück. Selbst der Klang einer menschlichen Stimme hatte an diesem Ort jenseits der Schöpfung nichts verloren.
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    Dafür hörte er ein Lachen.
    Es war nicht das Lachen selbst, das seinen Schrei verstum-men und Pater Tobias vor Entsetzen schier zur Salzsäule erstarren ließ. Es war vielmehr das entsetzliche Wissen, wem diese Stimme gehörte!
    Er wollte es nicht glauben. Er bot vielmehr den letzten Rest Kraft auf, der noch in seinem Körper war, um die Bewegung zu verhindern - und trotzdem wandte er langsam den Kopf und sah zu der schlanken Gestalt hinauf, die in der Lücke stand, die er selbst in das Dornengebüsch gebrochen hatte.
    Es war Katrin.
    Sie hatte sich verändert. Doch nicht auf die fürchterliche Art des Waldes, die ihr jedes Leben und jede Menschlichkeit genommen hätte. Sie trug noch immer das einfache, weiße Hemd, das Maria ihr gegeben hatte, aber ihr Haar hing jetzt sauber und glatt bis auf die Schultern herab, und von ihren Wangen war das Grau der Krankheit gewichen. Der Glanz ihrer Augen war nicht mehr das verzehrende Feuer des Fiebers, sondern pures, loderndes Leben. Und ihre Lippen waren wieder voll und dunkel. Es war, dachte Tobias, von Entsetzen geschüttelt, als wäre das Leben, das aus dem Wald und seinen Pflanzen gewichen war, in ihren Körper geflossen.
    Sie bewegte sich weiter. Ihre Hände, die Haut fein und weiß wie Porzellan, teilten das dornige Gebüsch, das seine eigenen Kleider zerrissen und seine Haut zerfetzt hatte, ohne Schaden zu nehmen. Und das tote Erdreich, das seine eigenen Füße besudelt und ihn wie mit unsichtbaren Händen festgehalten hatte, beschmutzte ihre nackten Füße nicht einmal. Die finstere Macht dieses Ortes, so ungeheuerlich sie war, hatte keine Gewalt über sie, denn das neu aufgeflammte Leben in ihrem Körper war einfach zu stark.
    Tobias ließ die Hände sinken. Er wollte sich aufrichten, aber nicht einmal dazu reichte seine Kraft noch. So blieb er einfach inmitten des schwarzen Schlammes hocken, bis Katrin ihn erreicht hatte und die Hand nach ihm ausstreckte. Erst dann fand er die Kraft, wieder den Arm zu heben und ihre Finger zu berühren. Und im gleichen Augenblick, in dem er es tat, war es, als flösse etwas von dem pul-250
    sierenden, brodelnden Leben in ihr nun auch in seinen Körper. Er fühlte, wie alle Schwäche und Kraftlosigkeit von ihm abfielen, und fast im gleichen Augenblick wich auch die Furcht aus ihm. An ihrer Stelle verspürte er eine Wärme und ein Gefühl der Sicherheit, wie er es zuletzt als kleines Kind gespürt hatte, wenn er sich bei einem Gewitter auf den Schoß seiner Mutter geflüchtet hatte.
    Er stand auf, blickte einen Moment voller Erstaunen auf Katrin herab und hob schließlich auch die andere Hand. Sie vollzog die Bewegung mit, so daß sich ihre Finger zwischen ihren Körpern trafen und sich wie Liebende umschlangen.
    Ein sanftes, aber unendlich tiefes glückliches Lächeln glitt über ihre Züge, und ihre Augen glommen in einem neuen,

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