Wolfgang Hohlbein -
den Kopf. »Das ist sehr freundlich«, sagte er, »aber nicht nötig. Bring mir einen Schluck Wasser und eine Kleinigkeit zu essen, das ist alles, was ich brauche.«
Maria widersprach nicht, sondern ging, um seine Wünsche zu erfüllen.
Bresser blieb.
Er drehte sich nicht zu Tobias herum, sondern stand hoch aufgerichtet und starr am Fenster, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Tobias blickte ihn lange an, ehe er sich schließlich räusperte.
Bresser wandte sich widerwillig herum und sah ihn an. Er schwieg noch immer.
»Nun, was hat der Graf gesagt?« fragte Tobias.
Der Dicke blinzelte und machte eine fahrige Handbewegung, als verscheuche er eine lästige Fliege.
»Ich bitte Euch, Bresser«, sagte Tobias müde. »Ihr wart beim Grafen, nachdem Ihr den Turm verlassen habt. Was hat er gesagt?«
»Nichts«, antwortete Bresser. »Nicht viel, jedenfalls. Aber er war zornig.«
»Das glaube ich gern«, antwortete Tobias. Er wünschte sich, seine Stimme hätte nicht so müde geklungen. »Doch auch ich bin zornig. Sobald ich gegessen habe, werdet Ihr mich zu ihm bringen. Ich habe ein paar Worte mit Eurem Herrn zu reden.«
Diesmal erschrak Bresser wirklich. Einen Moment lang sah er Tobias hilflos, ja, beinahe entsetzt an, dann stammelte er: »Das . . . das geht nicht.«
»Warum nicht?« erkundigte sich Tobias.
Bresser druckste herum. Plötzlich konnte er nicht mehr stillstehen, sondern trat nervös von einem Bein auf das andere.
»Weil . . . weil . . . ich meine, es ist nicht nötig«, stotterte er. »Er kommt hierher. Ich . . . ich soll Euch ausrichten, daß er zur Mittagsstunde hier sein wird, um mit Euch zu reden.«
»Den Weg kann ich ihm abnehmen«, sagte Tobias. »Bringt mich zu ihm. Ihr sagtet doch gestern, daß es nicht allzu weit sei, oder?«
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»Zu Pferde, ja«, sagte Bresser hastig. »Zu Fuß ist es ein Tagesmarsch, wenn nicht mehr.«
»Ich kann reiten«, sagte Tobias ruhig.
»Aber der Graf ist nicht da. Ich meine, er ... er ist sicher schon losgeritten, um auf dem Weg noch den einen oder anderen Hof zu besuchen. Wir würden ihn verpassen, glaubt mir.«
Tobias seufzte. Bresser war ein miserabler Lügner, was wahrscheinlich schlichtweg an seiner Dummheit lag. Die wenigsten Menschen begriffen, daß das Lügen eine Kunst für sich war und zumindest ein gewisses Maß an Schläue dazu gehörte, sie zu beherrschen. Wäre er nicht einfach zu müde dazu gewesen, dann hätte er spätestens jetzt Bresser gründlich die Leviten gelesen.
»Nun gut«, sagte er, und Bresser atmete sichtbar auf.
»Dann erwarte ich den Grafen eben hier. Vielleicht ist es ganz gut so. Ihr könnt mir die Stadt zeigen, bis er kommt.
Und ich kann mit einigen Leuten reden. Ach ja«, fügte er hinzu, als Bresser sich umwenden und gehen wollte, »und noch etwas.«
Bresser blieb stehen. Sein Blick wurde wieder lauernd.
»Ja?«
»Ich brauche jemanden für einen Botengang.«
Bresser legte den Kopf schräg. »Wozu?«
»Wir brauchen einen Arzt«, antwortete Tobias. »Einen richtigen Arzt, nicht dieses Kräuterweib des Grafen. Ihr Zustand ist sehr ernst. Ich will sichergehen, daß sie es überlebt.«
»Die Hexe?«
»Katrin Verkolt«, antwortete Tobias eisig. »Ich kann mich darauf verlassen, daß Ihr jemanden nach Lüneburg
schickt?«
»Der . . . der Weg ist sehr weit«, sagte Bresser ausweichend. Tobias konnte direkt sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete, als er nach einer Ausrede sucht. »Und ich weiß nicht genau, wo wir einen Arzt finden, der -«
»Warum schickt Ihr nicht nach demselben, der im Sommer hier war, um sich um Verkolt zu kümmern?« unterbrach 90
ihn Tobias. »Keine Sorge, ich bezahle für seine Bemühungen.«
»Das ist es nicht«, sagte Bresser hastig. »Es ist nur ... es ist ein Tagesmarsch nach Lüneburg, wenn nicht mehr, und es ist -«
»Dann gebt dem Boten ein Pferd«, sagte Tobias. »Sucht einen zuverlässigen Mann aus. Und schärft ihm ein, daß ich ihn bis zum Abend zurück erwarte - in Begleitung des Arztes. Ich mache Euch persönlich verantwortlich, wenn er nicht pünktlich kommt.«
Bresser schluckte. Seine Hände spielten nervös miteinander. »Verzeiht, ehrwürdiger Vater, aber haltet Ihr es nicht für etwas übertrieben, solche Umstände zu machen? Ich meine, sie stirbt so oder so. Hexen werden verbrannt.«
Tobias starrte ihn an. Er beherrschte sich mit aller Macht, nicht loszubrüllen, aber er spürte selbst, daß er sein Gesicht nicht vollends unter Kontrolle hatte. Bresser
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