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Wolfsfieber

Wolfsfieber

Titel: Wolfsfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Adelmann
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Wolfsfieber im Wald hinter uns brach-
    ten. Hier würde er es schnell hinter sich haben und es würde
    weniger langwierig und schmerzhaft vonstattengehen.
    Langsam wurde es kalt. Wir näherten uns zwar langsam
    dem Ende des Winters, doch nachts sanken die Temperatu-
    ren gewaltig. Ich zog mir die Lederhandschuhe an. Istvan er-
    laubte mir nicht, die Heizung im Wagen anzustellen, da das
    verräterische Geräusch zu laut und zu leicht auszumachen
    wäre. Er holte eine Decke aus dem Kofferraum und gab sie
    mir. Dann stieg er wieder zu mir ins Auto, still und voller
    Sorge. Er holte das Handy aus seiner Jeanstasche und legte
    es vor sich auf das Armaturenbrett. Ich wickelte mich unge-
    schickt in die Decke und schlug dabei mehrmals gegen das
    Lenkrad. Er half mir dabei und schon allein durch die Nähe
    seiner hilfsbereiten Arme wurde mir jetzt wohlig warm.
    „Bevor es losgeht, noch ein paar Dinge. Sieh ab und an
    nach dem blinkenden Punkt. Sollte er mehr als zehn Kilome-
    ter schwanken, dann feure ein Signal ab. Ich komme dann
    sofort zu dir. Steig nicht aus dem Wagen. Bitte!“, ermahnte er
    mich zum hundertsten Mal. Ich nickte, wie schon so oft.
    Das Licht im Wald begann sich zu verändern. Die Däm-
    merung brach an. Die untergehende Sonne brachte nicht
    nur die Schmerzen für Istvan mit sich, sondern ließ ihn seine
    Nerven vollends verlieren. Er sprach nun mit schmerzver-
    zerrter Stimme, während er sich im Wagen wand.
    „Ich bin nie weit weg von dir, versprochen. Ich laufe die
    Reviergrenzen ab. Sollte … Ah … ich auch nur eine einzige
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    verdächtige Spur wittern, komme ich sofort zurück zu dir.
    Ah … das hier ist Wahnsinn. Ich … Wie konnte ich dir nur
    erlauben, so tief in meine Welt verstrickt zu werden. Was
    bin ich für ein selbstsüchtiges Monster“, waren seine letzten,
    schmerzverzerrten Wortfetzen, ehe er aus dem Auto fiel. Ich
    stieg sofort aus dem Wagen, befreite mich aus der Decke
    und eilte zu ihm. Die Verwandlung war im vollen Gange und
    ging, wie erwartet, deutlich schneller. Schon jetzt verkrampf-
    ten sich seine Muskeln, was es Istvan unmöglich machte,
    selbst zur Decke auf dem Lagerplatz zu kommen. Also ver-
    suchte ich, ihn vom Boden zu stemmen. Er war schwer und
    sein Körper wehrte sich dagegen. Das Zittern erschwerte
    es mir ebenfalls. Aber mit einiger Anstrengung meinerseits
    humpelten wir gemeinsam bis zur Decke, auf die er mit
    einem dumpfen Geräusch aufschlug. Als er sich bewusst
    wurde, dass ich ihm wieder geholfen und ihn während der
    Verwandlung berührt hatte und dazu ausgestiegen war, be-
    kam er fast einen hysterischen Anfall.
    „Bist du wahnsinnig? Geh sofort zurück ins Auto! Na los,
    Joe! Sofort!“, war sein letzter Schrei, bevor das Menschliche
    in ihm verdrängt wurde von dem Wolfswesen, das durch-
    brach.
    Als ich mich zurück ins Auto setzte, ließ ich ihn dennoch
    nicht aus den Augen. Mit aufgerissenem Mund starrte ich
    auf seinen verkrümmten, schrumpfenden Körper, der im-
    mer mehr und mehr nach Wolf aussah. Bis ich die Wagentür
    geschlossen hatte und mein Gesicht an der Fensterscheibe
    platt drückte, war schon das Fell durchgebrochen und kurze
    Zeit später erhob sich der vertraute Wolf an derselben Stelle,
    an der ich Istvan, den Mann, zurückgelassen hatte. Der Wolf,
    mein Wolf, und ich blickten uns durch die Scheiben des
    Camaro an, während der Wald in dunkles, vom Mondlicht
    durchflutetes Nachtlicht getaucht wurde. Istvan zögerte. Ich
    fühlte, dass auch der Wolf mich nicht verlassen wollte. Aber
    am Ende blieb ihm keine Wahl. Der Drang des Wolfes befahl
    ihm zu rennen und seine Erinnerung rief ihm die Aufgabe,
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    die es in dieser Nacht zu erfüllen galt, ins Gedächtnis. Bevor
    er sich davonmachte, um die Grenzgebiete abzulaufen und
    seine Patrouillen zu absolvieren, drehte er nochmals seinen
    grauen Hals nach mir um. Die irisierend grünen Augen des
    Wolfes Istvan starrten mich ein letztes Mal an. Dann rannte
    er blitzschnell davon und wurde von den dürren Zweigen ver-
    schluckt.
    Sobald er weg war und ich allein in dem Auto zurück-
    blieb, um mich der dunkle, verschlungene Wald, kroch die
    Angst in meine Knochen. Ich hatte mich schließlich den
    ganzen Tag angestrengt, meine Angstgefühle weitestgehend
    zu verdrängen. Istvan durfte nämlich auf keinen Fall mitbe-
    kommen, dass ich eine Heidenangst verspürte. Zu meinem
    Vorteil fiel mir das Verdrängen von Angst schon immer eini-
    germaßen leicht und seit meiner Grenzerfahrung mit

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