Wolfsfieber
hatte nun Möglichkeiten, die
in meinem alten Leben unerreichbar gewesen wären. Ich
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konnte in den USA studieren. Ich hatte immer schon viel
gelesen. Das kam mir jetzt gelegen, denn so lernte ich recht
schnell Englisch. Ich las einfach jedes Buch, das ich be-
reits auf Deutsch kannte erneut. So lernte ich die Sprache.
Ich arbeitete die ganze Nacht lang, um genug Geld zu ha-
ben, und ging tagsüber auf die Universität. Ich studierte
in einem kleinen College in Connecticut, wo es genügend
Wald gab. Eigentlich wollte ich unbedingt Medizin studie-
ren. Ich musste aber schon bald die Ausbildung abbrechen,
da mir ständig Diagnosen herausrutschten, die ich gar nicht
kennen durfte. Schließlich brauchte ich kein Stethoskop,
um ein Herzproblem zu hören, und ich konnte einen Bruch
mühe los mit einem kurzen Griff richten. Es war frustrie-
rend, so tun zu müssen, als könne ich nicht helfen, nur um
mein verfluchtes Geheimnis zu wahren. Es gab auch noch
andere Probleme wie bestimmte Nachtdienste, die ich nicht
machen konnte, oder dass ich nicht Blut spenden konnte
und dafür keine plausible Erklärung hatte. Damals wusste
ich zwar noch nicht, dass das Wolfsgift in unserem Blut ist,
aber ich vermutete es bereits.
Da ich seit jeher Ungarisch beherrschte, studierte ich
schließlich Sprachwissenschaften und arbeitete bald als
Übersetzer, die wegen des Krieges überall gebraucht wurden
und sehr gefragt waren. Auch bewahrte mich der kriegswich-
tige Übersetzerdienst vor der Pflicht, als Soldat zu kämpfen,
die ich schon wegen der Musterungsuntersuchung nicht ris-
kieren konnte. Ich war froh, die Kriegsjahre damit zu verbrin-
gen, wichtige Papiere zu übersetzen oder zu verfassen und
niemanden verletzen zu müssen. Davor hatte ich am meisten
Angst, dazu gezwungen zu sein, andere zu verletzen oder zu
töten.“
Die Art, wie er über seine Ängste sprach, war aufrichtig.
Ich konnte mir kaum vorstellen, wie es sein musste, in so
einer Zeit leben zu müssen und mit solchen Problemen kon-
frontiert zu werden.
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An einem anderen Tag erzählte er mir von den schönen Er-
fahrungen, die er während seiner ersten Studienzeit in Ame-
rika gemacht hatte. Über das erste Mal, als ihn ein Kommili-
tone nach New York mitnahm und er eine Oper sah. Wie sie
ihn sofort begeistert hatte und die Liebe zur Oper bis heute
anhielt. Über die außergewöhnlichen Filme, die er damals
im Kino sah. Manche gleich mehrmals hintereinander.
An einem Donnerstag erzählte er mir von den Problemen,
die sein spezielles Leben mit sich brachte:
„Es gefiel mir in Connecticut. Ich wollte länger dort blei-
ben. Aber als der Krieg endlich zu Ende ging, war ich bereits
seit acht Jahren dort und langsam bemerkten meine Kolle-
gen, dass sie nichts über mich wussten. Jeder schien mich
zu kennen, aber niemand wusste etwas über mich. Ich hatte
eigentlich keine Freunde, lediglich Bekannte, die ich alle-
samt über meine Herkunft belog. Doch jetzt, nach Ende des
Krieges, machten sich Menschen wie ich, ohne nachweisba-
re Vergangenheit, schnell verdächtig. Ich galt als Ungar, das
hatte ich bei meiner Einreise angegeben. Man wusste, ich
sprach etwas Rumänisch und dass ich es nicht von meiner
Uni her konnte. Sie prüften das nach. Der Chef des Über-
setzerbüros war ein netter Mann und deutete mir gegenüber
eines Tages an, dass ich im Verdacht stünde, ein russischer
Spion zu sein. Man hatte bei meiner Überprüfung Unge-
reimtheiten festgestellt.
Es war Zeit zu verschwinden. Ich vernichtete alles, was
ich nicht mitnehmen konnte, und behielt nur das Nötigste.
Wieder einmal war ich allein und hatte noch keine der Ant-
worten gefunden, nach denen ich so verzweifelt suchte. Ich
konnte auch nicht wieder richtig nach Hause. Nicht, solange
ich aussah, als wäre ich kaum gealtert, und solange sich noch
jemand an mich erinnern konnte.
Ich stromerte als Wanderarbeiter durch das ganze Land
und suchte ein Indianerreservat nach dem anderen auf. Erst
nach Monaten stieß ich auf einen Stamm, der noch „Skin-
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walker“ kannte. Ein junger Krieger, den sie Little Wolf nann-
ten, sollte ein direkter Nachfahre eines Skinwalkers sein.
Ich fand ihn in der Nähe des Yellowstone-Nationalparks. Ich
folgte ihm und wartete auf die erste Vollmondnacht. Danach
zeigte ich mich ihm. Es stellte sich heraus, dass er genau
wie ich ein einsam Wandelnder unserer Art war. Er gab mir
auch die Antworten, die Damir
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