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Wolfsfieber

Wolfsfieber

Titel: Wolfsfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Adelmann
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mir damals nicht geben woll-
    te. So erfuhr ich, dass Little Wolf tatsächlich der leibliche
    Nachfahre eines Wolfes war. Er war schon sehr alt gewesen
    und wollte sein Rudel nicht ohne Führung zurücklassen. Da
    hatte er mit seiner vierten Menschenfrau, in voller Absicht,
    einen Werwolf gezeugt. Ich war erschüttert. Ich wusste ja
    nicht, dass wir es weitergeben konnten. Diese Frage stellte
    sich in meinem Leben nicht, da ich damals so gut wie kei-
    nen näheren Kontakt zu Menschen hatte, schon gar nicht zu
    einer Frau. Little Wolf verriet mir, dass man einen von uns
    nur zeugen könne, wenn man in den Vollmondnächten mit-
    einander schläft. Er klärte mich auch darüber auf, dass zwei
    Werwölfe immer ein Wolfskind zeugen, während ein Mensch
    und ein Werwolf auch normale Kinder bekommen könnten.
    Ich fragte ihn nach einem Heilmittel, doch er konnte
    mir nicht weiterhelfen. Er hielt mich für absonderlich, da
    ich nicht bereit war, mein neues Leben anzunehmen. Ich
    versuchte ihm zu erklären, dass ich nicht wie er so geboren
    wurde, sondern mir jemand das angetan hatte. Das schien
    ihn nicht sonderlich zu beeindrucken. Für ihn und seinen
    Stamm waren wir beseelte Tiergeister, die mit der Gabe ge-
    segnet waren. Ich hielt es nicht lange bei ihm aus und zog
    weiter. Wieder einmal.
    Die nächsten Jahre verbrachte ich in den Wäldern um
    Seattle. Ich studierte Literatur und Kunst und nahm mal
    wieder eine neue Identität an. Ich nutzte die große Biblio-
    thek und meine Kontakte zu bestimmten Buchhändlern, um
    zu recherchieren. Ich arbeitete sogar in einem Antiquitäten-
    geschäft und übersetzte deutsche Bücher ins Englische. Das
    meiste, was ich über Werwölfe fand, waren übertriebene
    100

    Legenden, dumme Horrorgeschichten, ausgedacht von trin-
    kenden Möchtegernliteraten. Es gab ein paar Hinweise, die
    zwar auf den ersten Blick interessant schienen, doch auf den
    zweiten Blick entpuppten sie sich stets als Sackgasse. Nach
    weiteren zehn Jahren musste ich weg und ich wollte wieder
    nach Hause. Ich wollte versuchen, in Europa Antworten zu
    finden, da die meisten Hinweise auf diese Gegend verwie-
    sen, vorwiegend auf Skandinavien, Osteuropa, Russland und
    Italien.
    Ich beschloss, alle Länder abzuklappern. Ich hatte ja ge-
    nug Zeit. Zeit war sogar das Einzige, was kein Problem für
    mich darstellte.“
    In den folgenden Tagen erzählte er mir von seinen Reisen
    und den Erfahrungen, die er dabei gemacht hatte.
    Mit jedem neuen Tag nahm er mich mit in ein neues
    Land. An einem Dienstag war es Russland.
    „Die russischen Werwölfe waren ganz anders als alle, die
    ich davor getroffen hatte. Sie weigerten sich, ein normales,
    menschliches Leben zu führen. Sie lebten alle in Rudeln.
    Es gab keine Einzelgänger. Sie wohnten in Höhlen und halb
    verfallenen Hütten. Sie hatten einen sehr ausgeprägten Ter-
    ritorialinstinkt. Sobald ich das Revier eines Rudels betreten
    hatte, griff man mich an und ich bekam nie die Chance, mei-
    ne Fragen zu stellen. Es war zwecklos. Das Einzige, was sie
    wollten, war, vollkommen in ihrem Wolfdasein aufzu gehen
    und zu kämpfen. Als Menschen wie als Wölfe waren sie
    Krieger, stark und furchterregend. Ich hielt mich nicht lange
    in Russland auf. Es waren übrigens die 50er und das war ein
    weiterer Grund, nicht lange in dieser Gegend zu bleiben. Ich
    reiste ja noch immer mit einem gefälschten amerikanischen
    Pass.
    In Italien traf ich auf drei Rudel und ein paar einzelne
    Streuner. Die meisten von ihnen boten mir an, mich ihnen
    anzuschließen, was ich natürlich ablehnte. Schnell sprach
    sich herum, dass ein Ausländer in Italien herumschnüffelte,
    der Antworten wollte, aber nur, um sich von seiner Wolfs-
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    existenz zu befreien. Das kam nicht gut an. Ich musste Ita-
    lien bald verlassen, was ich sehr schade fand, da ich endlich
    Opern in der Mailänder Scala sehen konnte.
    Ich beschloss, nach Ungarn zu gehen und dort in Buda-
    pest weitere Studien und Nachforschungen anzustellen. In
    Ungarn traf ich dann endlich, Anfang der 60er-Jahre, auf
    das rumänische Rudel, von dem mir Damir damals erzählt
    hatte. Sie waren sehr bekannt in der osteuropäischen Ge-
    meinschaft. Sie pflegten auf den alten Wolfspfaden zu wan-
    deln, um sich zwischen den echten Wölfen zu verstecken. So
    fielen sie weniger auf. Ich hoffte schon lange, auf sie zu tref-
    fen, da ihr Anführer Valentin doch eine ähnliche Geschichte
    haben sollte wie ich.
    Wir verstanden uns von Anfang an. Ich schrieb

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