Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen

Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen

Titel: Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elli H. Radinger
Vom Netzwerk:
des Yellowstone-Parks. Jeff hatte diese Ranch von seinem Vater und der wiederum von dessen Vater übernommen.
    »Wir lieben unsere Tiere und kümmern uns um unser Land. Wir treiben unsere Rinder von Weide zu Weide, damit sich das Gras wieder erholen kann. Mit den Weidegebühren und den Steuern, die wir dem Staat zahlen, kommen wir gerade so über die Runden. Und dann passiert so etwas …«
    Er zeigte mir das Foto eines neugeborenen Kälbchens, das von einem Kojoten gerissen worden war.
    »Ein anderes Kalb musste ich erschießen. Es war zu schwer verletzt.«
    »Ich hänge an den Tieren«, sagte Jeff mit Tränen in den Augen. »Für andere mögen es ›nur‹ Kühe sein. Für mich sind es Familienmitglieder. Meine kleine Tochter hat das verletzte Kalb gefunden und konnte sich gar nicht mehr beruhigen.«
    |140| »Und das waren nur Kojoten. Kannst du dir vorstellen, was passiert, wenn hier Wölfe sind?«
    Ich verstand ihn. Auch ich wäre wütend, wenn Kojoten oder Wölfe meine Tiere töten würden.
    »Es sind doch nur Nutztiere. Viehzüchter bekommen doch eh Entschädigung. Wölfe sind schließlich vom Aussterben bedroht.« Dies und mehr höre ich von vermeintlichen Tierschützern und wundere mich, mit welcher Kälte manche von ihnen über die Gefühle der »anderen« hinwegwalzen. Kann ich tatsächlich mit zweierlei Maß messen? Dieses Tier hat einen höheren Stellenwert, weil es »besser / wertvoller« ist?
    Manchmal würde es uns guttun, einmal zu versuchen, in den Schuhen des anderen zu laufen. Wer sich intensiv und leidenschaftlich für etwas einsetzt, neigt dazu, mit Scheuklappen herumzulaufen und nur seine Interessen zu sehen. Das ist normal. Sonst könnte er sich nicht so auf sein Ziel konzentrieren. Aber es wäre durchaus hilfreich, sich einmal in andere Menschen hineinzuversetzen und zu versuchen, sie zu verstehen.
    Diskussionen über den Naturschutz sind stets ideologisch gefärbt. Man streitet nicht über konkrete Gefahren. Im Wesentlichen geht es um die Frage der Naturbeherrschung durch den Menschen und um die Definition unserer Beziehung zu Tieren.
    Ich diskutiere seit vielen Jahren mit Wolfsgegnern. Stelle mich bei Vorträgen und Lesungen immer wieder ihren Fragen. In den ersten Jahren, in denen ich im Wolfsschutz arbeitete, wollte ich noch jeden von der Notwendigkeit der Wölfe überzeugen. Die Menschen
mussten
doch einfach einsehen, wie wichtig die Tiere waren. Und dass sie keine Gefahr sind. Ich habe rational und mit wissenschaftlichen Fakten argumentiert. Ich war die Gute, die Wolfsschützerin, sie die Schwachen, Ängstlichen, die Wolfsgegner. Dass ich mit dieser Einstellung keine Überzeugungsarbeit leisten konnte, lernte ich schnell.
    Und ich lernte zuzuhören. Die Ängste und Sorgen der |141| Menschen ernst zu nehmen. Wenn mir in Deutschland eine Frau, die im Wolfsgebiet lebt, sagt: »Ich habe Angst, meine Kinder draußen spielen zu lassen«, oder wenn ein Mann mich anspricht: »Seit die Wölfe da sind, traue ich mich mit dem Hund nicht mehr in den Wald«, dann muss ich verstehen, dass diese Angst real ist, auch wenn sie wissenschaftlich unbegründet sein mag. Ich muss mich den Gefühlen der Menschen, die von der Anwesenheit der Wölfe betroffen sind, stellen.
    Sehr oft schicken mir Tierschützer Arthur Schopenhauers Spruch »Seitdem ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere«. Ich mag diesen Spruch nicht. Ich empfinde ihn als menschenverachtend. Wie kann ich mich von ganzem Herzen für Tiere einsetzen und gleichzeitig die Empfindungen von Menschen missachten?
    Überall, wo die Wölfe zurückkommen, müssen die Menschen lernen, mit ihnen zu leben. Manche waren überrascht von der Erfahrung, die sie machten.
    »Ich habe damit gerechnet, dass sie alle meine Rinder töten«, erzählte mir ein Viehzüchter in Wyoming. »Aber das war gar nicht so. Kürzlich habe ich gesehen, wie vier Wölfe mitten durch meine Herde gelaufen sind. Weiter hinten in den Bergen haben sie dann Hirsche gejagt!«
    »Ich achte jetzt mehr auf das Verhalten meiner Rinder. Wenn sie eng zusammengedrängt stehen, unruhig sind oder fortrennen, ist das ein Warnsignal. Ich suche auch nach verletzten Tieren. Schon meine bloße Anwesenheit auf der Weide schreckt die Wölfe zurück. Außerdem gibt es genügend andere Beutetiere in der Nähe.«
    Früher ließen Rinderzüchter totgeborene Kälber oder Fehlgeburten auf der Weide liegen. Das zog dann die Raubtiere an. Heute werden die Kadaver entsorgt.
    »Das ist die einfachste Methode,

Weitere Kostenlose Bücher