Wolfslied Roman
unterdrückten,
hatten ihn offenbar gleichzeitig vergiftet. Ohne das Medikament mochte seine Selbstbeherrschung zwar geringer werden, dafür aber wurde wohl sein Körper wieder stärker.
Ich musste meine Hand wegziehen. Inzwischen hatten wir unsere Finger verschränkt, so dass jeder sehen konnte … dass auch Red es hätte sehen können …
Red …
In diesem Augenblick riss ich die Hand fort, da ein stechender Schmerz durch meinen linken Arm schoss.
»Was ist los?« Malachy nahm meinen Arm in beide Hände, drehte ihn mit der Handfläche nach oben, schob den Pulli zurück und begutachtete den Schnitt an meiner Ellenbogenbeuge. Dieser schmale Schnitt, der mir von dem Limmikin-Zeremoniell geblieben war, sah entzündet aus und pochte schmerzhaft. »Was haben Sie sich angetan?« Er klang verärgert, was dafür sprach, dass er wieder ganz der Alte war.
Der junge Mann, der an einem Tisch zu unserer Rechten saß, blickte von seinem Laptop auf. »Das hat sie nicht selbst gemacht«, erklärte er.
27
» Wie bitte? «, fragte Malachy und wandte sich dem Mann zu, der mit dem Rücken zur Wand in einer Ecke saß.
»Entschuldigen Sie, dass ich mich einmische«, erwiderte dieser mit demselben osteuropäischen Akzent wie Magda. »Aber diese Verletzung hat sie sich nicht selbst zugefügt. Das war jemand anders.«
Er schob seine altmodische Nickelbrille mit Drahtgestell auf der Nase zurück. Vermutlich war er Mitte bis Ende zwanzig. Er hatte ein blasses, schmales Gesicht mit einem ernsten Ausdruck. Mit seinem zugeknöpften Hemd und der Brille wirkte er wie ein Gelehrter aus einem vergangenen Jahrhundert, was aber offensichtlich nicht der Fall war. Ich hatte einen kurzen Blick auf den Bildschirm seines Computers geworfen und festgestellt, dass er eine Geländeaufnahme unserer kleinen Stadt betrachtet hatte.
Er musste einer von Magdas Brüdern sein, der Erkundigungen über Northside einzog. Mit dem Kopf wies er auf meinen Arm und meinte: »Sie haben einen Gefährten - nicht wahr?«
»Entschuldigung, aber ich kann mich nicht erinnern, dass wir Sie um Ihre Meinung gebeten haben«, meldete sich Malachy erneut zu Wort. Er hatte den britischen Dreh
raus, wie man das Entschuldigung so klingen ließ, dass es wie ein Sie sind mir empfindlich auf die Zehen getreten, und das werde ich Ihnen nicht so schnell verzeihen klang.
»Entschuldigen Sie, dass ich mich eingemischt habe«, entgegnete der junge Mann und lächelte mich ein wenig reumütig an. Ich hatte das Gefühl, dass ihm Frauen in den meisten Fällen alles vergaben. »Aber ich dachte, Sie sollten das wissen. Sie haben sie berührt, und das obwohl sie zu einem anderen gehört.«
»Sie sollten sich trotzdem um Ihre eigenen Angelegenheiten kümmern.« Malachy wandte seine Aufmerksamkeit wieder mir zu. »Stimmt das? Sind Sie und Red jetzt offiziell … Gefährten ?« Dem letzten Wort gab er einen ironischen Unterton.
Ich nickte langsam, wobei ich mich so fühlte, als würde ich damit etwas leicht Beschämendes zugeben. Dann warf ich wieder einen Blick auf Magdas Bruder. Sollte ich ihn auf seine Schwester ansprechen? Doch er war schon wieder mit seinem Laptop beschäftigt.
»Nun, dann sollte ich Ihnen wohl gratulieren«, meinte Malachy. »Und was bedeutet das konkret? Wollen Sie und Red jetzt zusammen einen Bau anlegen?«
Ich hatte nichts anderes als eine sarkastische Bemerkung von ihm erwartet. Doch etwas in seiner erstarrten Miene verlieh den Worten noch eine andere Betonung. Er war keineswegs belustigt; er war wütend.
»Ja, genau das bedeutet es«, antwortete unser Tischnachbar wieder.
Malachy bedachte den jungen Mann mit einem jener finsteren Blicke, die sowohl seine Hospitanten als auch Tierbesitzer meist augenblicklich in stotternde Idioten verwandelten.
»Ich denke, wir sind durchaus in der Lage, unsere Unterhaltung ohne Ihre Hilfe weiterzuführen.«
»Jedenfalls glaube ich, dass es das bedeutet«, setzte der junge Mann unbeeindruckt fort. Er runzelte die Stirn, als würde ihn etwas verwirren. »Aber Ihr Geruch …« Neugierig betrachtete er mich. Es war eine männliche Art der Neugier. »Sie haben noch etwas zurückgehalten, nicht wahr? Da ist eine Spur von … Sie sind noch immer zu haben, glaube ich.«
Erst jetzt verstand ich, warum uns Magdas Bruder trotz seiner höflichen Ausstrahlung immer wieder unterbrach. Ich war zwar nicht mehr so läufig wie zuvor, aber ganz hatte ich diese Phase offenbar noch nicht hinter mir gelassen.
Malachy strich mit dem Finger über
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