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Wolfsmale

Titel: Wolfsmale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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alle Einzelheiten zum vierten oder fünften Mal durch. Doch Rebus sah den
Jungs vom Labor gern bei der Arbeit zu. Das entsprach seiner Vorstellung von Detektivarbeit.
Außerdem half ihm der Anblick von Leuten, die so sorgfältig und gründlich arbeiteten, sich zu
beruhigen. Und beruhigen musste er sich ganz gewiss.
Sein Plan hatte funktioniert. Er hatte den Wolfsmann provoziert und zu Aktivitäten angestachelt.
Er hätte sich jedoch der Gefahr bewusst sein müssen, die das für Lisa bedeuten könnte.
Schließlich war ihr Foto in den Zeitungen gewesen, ebenso ihr Name. Man hatte sie sogar
irrtümlich als Polizeipsychologin bezeichnet - also eine von den Leuten, die laut der zuvor
lancierten Geschichte zu dem Schluss gekommen waren, dass der Wolfsmann schwul sein könnte oder
transsexuell oder was immer sie für Reizwörter benutzt hatten.
Lisa Frazer war zur Feindin des Wolfsmanns geworden, und er, John Rebus, hatte sie in diese
Situation gebracht. Ganz schön dämlich von dir, John. Wenn der Wolfsmann ihr nun tatsächlich bis
zu ihrer Wohnung gefolgt wäre...? Nein, nein, nein. Das mochte er sich gar nicht
vorstellen.
Nun hatte zwar Lisas Name in den Zeitungen gestanden, aber nicht ihre Adresse. Wie also hatte der
Wolfsmann ihre Adresse herausgefunden?
Diese Frage war viel problematischer.
Und viel beunruhigender.
Schließlich stand sie nicht im Telefonbuch. Aber er wusste natürlich nur zu gut, dass dies kein
Hindernis für jemanden in einer Machtposition war, zum Beispiel für einen Polizeibeamten. Mein
Gott, hatte er es hier wirklich mit einem Kollegen zu tun? Es musste noch weitere Kandidaten
geben: Personal und Studenten vom University College, andere Psychologen - sie würden Lisa
kennen. Aber es gab noch viel mehr Personen und Organisationen, die ohne weiteres einem Namen
eine Adresse zuordnen konnten: Beamte im Staatsdienst, die Stadtverwaltung, Finanzbeamte, das
Gas- und Elektrizitätswerk, der Briefträger, der Typ von nebenan, zahlreiche Adress- und
Werbefirmen, die Zweigstelle der Stadtbibliothek.
Wo sollte er anfangen?
»Bitte sehr, Inspector.«
Einer der Laborassistenten reichte ihm eine Fotokopie des getippten Briefs.
»Danke«, sagte Rebus.
»Wir untersuchen gerade das Original auf irgendwelche interessanten Spuren. Wir sagen Ihnen
Bescheid.«
»Gut. Was ist mit dem Umschlag?«
»Die Speicheltests dauern noch ein bisschen. Ich nehme an, dass wir in den nächsten zwei Stunden
etwas für Sie haben. Dann war da natürlich auch noch das Foto, aber das lässt sich nicht so gut
kopieren. Wir wissen, aus welcher Zeitung es stammt und dass es mit einer ziemlich scharfen
Schere ausgeschnitten wurde, möglicherweise mit einer Nagelschere, nach der Länge der Schnitte zu
urteilen.«
Rebus nickte und starrte auf die Fotokopie. »Nochmals vielen Dank«, sagte er.
»Kein Problem.«
Kein Problem? Das stimmte, weiß Gott, nicht: Es gab reichlich Probleme. Er las den Brief durch.
Das Getippte sah sauber und gleichmäßig aus, als wäre eine neue oder eine besonders gute
Schreibmaschine verwendet worden, so was wie diese elektronische Maschine, an der er heute Morgen
geschrieben hatte. Was nun den Inhalt betraf, das war eine ganz andere Geschichte.
Check das mal. Ich bin nicht homosexull! Wolfsmann ist, was Wolfsmann tut. Und das tut Wolfsmann
als Nächstes: er bringt dich um.
Keine Angst, es tut nicht weh. Wolfsmann tut nicht weh; tut nur, was Wolfsmann ist. Du must
wissen, Frau, Wolfsmann kennt dich, weiss, wo du wohnst, wie du aussiehst. Sag einfach die
Wahrheit, denn Lügen haben kurze Beine. Sag einfach die Wahrheit, und dir wird nichts
passieren.
Das stand auf einem ganz normalen DIN A4-Blatt, das zweimal gefaltet worden war, damit es in den
kleinen weißen Umschlag passte. Außerdem hatte der Wolfsmann ein Foto von Lisa aus einer der
Zeitungen ausgeschnitten. Dann hatte er ihren Kopf abgeschnitten und mit Bleistift einen dunklen
Kreis auf ihren Bauch gemalt. Das Foto von ihrem Rumpf hatte dem Brief beigelegen.
»Dreckskerl«, fauchte Rebus. »Was bist du nur für ein Dreckskerl.«
Er ging mit dem Brief den Flur entlang und die Treppe hinauf zu dem Zimmer, in dem Flight war.
Zum wiederholten Mal rieb er sich das Gesicht.
»Wo ist Lisa?«
»Auf der Toilette.«
»Geht's ihr sehr...?«
»Sie ist ziemlich fertig, aber sie erholt sich schon wieder. Der Arzt hat ihr ein paar
Beruhigungspillen gegeben. Was hast du da?« Rebus gab ihm die Kopie. Flight las den Brief rasch
und

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