Wolfsmondnacht (German Edition)
der Tür um.
» Non , bleibt. Ihr hättet das letzte Mal nicht so schnell verschwinden sollen.«
»Ich dachte, Ihr wolltet mich loshaben?« Mittlerweile hielt Jean-François seine Tat an jenem Abend für eine Überreaktion.
»Wollte ich auch in dem Moment, doch jetzt weiß ich, dass wir den Auftrag ohnehin an Bourgueil verloren hätten, gleichgültig, ob Ihr Tag oder Nacht verfügbar gewesen wärt. Ich bin sämtliche Unterlagen durchgegangen. Ihr hattet Recht darin, dass wir unmöglich mit den Preisen runtergehen konnten, ohne draufzulegen, und es ist wirklich eine Frage, ob man das macht. Schließlich schürt man damit die Erwartungshaltung hinsichtlich dieser Preisgestaltung.« Blanchard füllte sein Weinglas neu. »Mir ist an einer weiteren Zusammenarbeit mit Euch gelegen.«
Jean-François trat näher zu ihm. »Nachts!«
» Oui , nachts. Ich bin tagsüber erreichbar und Ihr nachts. Was wollen die Kunden mehr?« Blanchard füllte ein weiteres Glas und stellte es vor Jean-François.
»Einverstanden, doch keine Fragen mehr danach, was ich tagsüber treibe, o ui ?«
»Solange Ihr nicht schmuggelt oder sonst etwas Illegales macht.«
Jean-François räusperte sich. »So etwas macht man doch nicht bei Tage.«
»Da habt Ihr auch wieder Recht.« Blanchard lächelte. »Ihr seid einer der besten Händler von Paris. Nach mir, versteht sich. Ich prophezeie uns eine große Zukunft.« Er hob sein Glas. »Lasst uns auf unsere weitere Zusammenarbeit anstoßen.«
»Ich trinke nicht«, sagte Jean-François, »und ich werde mich auch nicht auf unsere Zusammenarbeit als einziges Standbein verlassen. Ich habe kürzlich ein eigenes Unternehmen eröffnet.«
»Als Freund applaudiere ich Euch für Eure Weitsicht, obwohl ich Euch als Dummkopf bezeichnen muss, da Ihr es mir gesagt habt. Als Partner missfällt mir Euer Plan natürlich.«
»Keine Sorge. Ich habe keineswegs die Absicht, zu Euch in Konkurrenz zu treten. Vom Weingeschäft werde ich mich schon allein wegen der hohen Einfuhrsteuern fernhalten.«
»So sind die Gesetze. Daran ändert auch Ihr nichts.«
»Vielleicht sollte ich ein Lokal vor den Stadtmauern eröffnen oder Wein schmuggeln?«
»Denkt nicht zu laut, Monsieur, denn Ihr wisst nie, wer zuhört. Wie ich bereits sagte: keine illegalen Aktivitäten!«
»Und wenn Bourgueil seine Preise durch Schmuggel niedrig hält?«
»Dann wäre dies zu verurteilen.«
» Non , Monsieur Blanchard, zu verurteilen ist, dass das einfache Volk von Paris dreimal so viel für Wein zahlt wie der Adel.«
»Urteilt nicht vorschnell, denn durch die droits d’entrée wird auch das Hôtel-Dieu finanziert.« Zwar war der Einfuhrzoll hoch, doch diente er auch guten Zwecken.
»Finanziert nennen die das? Im Hôtel-Dieu liegen sie zu fünft in den Betten. Ist man bisher noch nicht todgeweiht, wird man es dort. Bevor man mich dort einliefert, soll man mich lieber gleich irgendwo verscharren.«
»Das ist deprimierend« Blanchard nahm einen tiefen Schluck Wein. »Ihr habt eine Art, mir Dinge vor Augen zu führen. Mit Euch werde ich noch zum Säufer, Merdrignac.«
Dôle am 23. November des Jahres 1561
Jean-François war unten in der Küche, als er Célestes letzte Schreie vernahm. Leises Stimmgemurmel hob an. Das erste Krächzen des Säuglings durchdrang die Stille nach der Geburt.
Plötzlich ertönte erneut der Schrei eines Weibes, doch war es ein Laut, nicht aus Schmerzen geboren, sondern aus Entsetzen. Jean-François stürmte die Treppe hinauf, schneller, als ein menschliches Wesen dazu in der Lage war, und betrat Célestes Schlafzimmer. Er registrierte alles innerhalb von Sekunden.
Célestes Gesicht war tränenüberströmt. Sie saß auf ihrem Bett, den Säugling an ihre Brust gedrückt. Das Einzige, was Jean-François von ihm sah, war das Flaumhaar auf seinem Köpfchen.
Die Hebamme stand schreckensbleich am Fenster und atmete heftig. War etwas mit dem Kind geschehen? War es tot? Er streckte die mentalen Finger seines Geistes aus. Die Eindrücke, die Jean-François von der Hebamme empfing, gingen jedoch in eine andere Richtung.
»Ein Kind des Teufels.« Die Hebamme verzerrte ihr Gesicht vor Grauen. »Satanshure! Hexe!« Erneut begann sie zu schreien.
Jean-François lief zu ihr, packte sie an der Kehle und erstickte all die Schreie, die noch darin hingen. Er beugte sich über das zitternde Weib und stieß seine Zähne in ihren Hals. Innerhalb weniger Augenblicke war sie tot. Als er den Kopf hob, begegnete sein Blick dem seiner
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