Wolfsruf
Rituals Scott Harper erbleichen; aber Teddy Grumiaux nahm ihn beiseite und erzählte ihm, als sie im Schatten von Little Elk Womans Tipi saßen, das die letzte Nacht unbeschadet überstanden hatte, wie es ist, in zwei Kulturen aufzuwachsen. »Ich weiß, dass er dein Freund war«, sagte er. »Aber ich schätz’, sie tun ihm eine mächtige Ehre, wenn sie ihn bei den Kriegern von ihrem Stamm bestatten.«
»Es sind keine Christen«, wandte Scott ein, aber noch während er das sagte, wusste er, dass er wie Major Sanderson klang.
»Wenn du’n stilles Gebet für ihn sprichst …«
Scott willigte ein. Sie standen auf und gingen zum Bestattungsplatz. Es nieselte immer noch. Der Regen roch nach Frühling. Sie hörten Trommeln in der Ferne und die heiseren Gesänge der Trauernden. Als sie gegangen waren, beobachteten sie, wie Little Elk Woman die Felle von ihrem Zelt zog. Ein paar Frauen schauten ihr schweigend dabei zu.
»Was macht sie da?«, fragte Scott den Jungen.
»Ich glaube, es ist ein … ein Wikhpéyapi «, sagte Teddy. Am Rande der Lichtung führten die Indianer ihre Bestattungsriten für die Toten durch, aber was hier geschah, wirkte irgendwie noch tragischer. Little Elk Woman kam aus dem Tipi mit einer
Holzkiste heraus, deren Inhalt sie unter den anderen Frauen verteilte.
Die Frauen murmelten etwas, blickten Little Elk Woman aber nicht ins Gesicht. Die Witwe verteilte scharfe Messer, Bürsten, einen alten Spiegel mit Elfenbeingriff, der einst aus Frankreich gekommen sein mochte. Als die Kiste leer war, gab sie sie einem kleinen Mädchen, das damit wegging. Die Kiste war fast größer als es selbst. Dann ging Little Elk Woman wieder hinein und kam mit einem Armvoll sorgfältig gefalteter Decken heraus, die sie ebenfalls verteilte.
»Warum tut sie das?«, fragte Scott den Jungen. »Im Winter wird sie diese Decken brauchen.«
»Sie wird keinen Winter mehr erleben.«
»Was soll das heißen?«
Teddy antwortete ihm nicht. Little Elk Woman verschenkte jetzt ihre Kleider - ein Baumwollkleid war darunter, das ihr Claude-Achille einst geschenkt haben musste, schöne Hemden, mit Perlen liebevoll verziert. Scott begann zu ahnen, was die Frau vorhatte.
Endlich schien Teddys Mutter Scott und den Jungen wahrzunehmen. Sie kam auf sie zu. Stolz blieb sie vor ihnen stehen, wie die Frau des größten Generals in der Kavallerie, und sagte etwas zu ihrem Sohn. Teddy wandte sich zu Scott und erklärte: »Sie bittet dich, dass du mich zu meinem Pa bringen sollst.«
»Was ist mit ihr? Dein Vater lebt jetzt mit einer Chinesin in Deadwood.«
»Sie will niemandem im Weg steh’n«, sagte Teddy. Seine Stimme versagte.
Und Little Elk Woman musterte Scott ohne sichtbare Gemütsregung, wartete einfach auf seine Antwort.
»Du darfst das nicht zulassen«, sagte Scott. Endlich begriff er, wovon Teddy sprach. Bei diesen Indianern, das hatte er gehört, war es üblich, dass eine Frau ohne Mann einfach in den Wald verschwand, damit sie ihrem Volk nicht zur Last fiel.
»Sie ist eine Frau, sie kann das Dorf nicht einfach verlassen, sie wird …«
»Sterben.«
»Und du lässt das so einfach zu?«
»Ich kann nichts dagegen tun«, antwortete Teddy, und wenn in diesem Augenblick sein Herz brach, dann verbarg er das sehr gut. »Dein Freund Zeke hätte das verstanden. Der Tod ist für sie was anderes als für dein Volk. Meine Ma hat niemanden mehr, der für sie jagt. Sie weiß, dass sie bloß eine Last für ihr Volk wär’, und letzte Nacht sind so viele gestorben, dass sie eine nutzlose Frau nicht mehr durchfüttern können.«
Scott wollte Little Elk Woman anfassen, wollte sie bei der Hand nehmen, sie trösten, aber als er es versuchte, bemerkte er, dass sie drei Finger ihrer linken Hand verloren hatte. Die Wunden waren noch frisch, die Knochen noch zu sehen. Es war ein sauberer Schnitt wie von einem Arzt. Entsetzt zuckte er zurück.
»Sie hat’s selbst gemacht«, erklärte ihm Teddy. »Und sie hat keinen Laut von sich gegeben.« Und jetzt würde sie aus dem Dorf in den Wald wandern; sie würde vielleicht den Sommer überleben, aber niemals den Winter.
Scott dachte an das, was er über die Unverletzlichkeit des menschlichen, des weiblichen Lebens gelernt hatte. Sein Glaube an jene Werte hatte bereits beträchtlich gelitten, als Sanderson ihm befohlen hatte, an dem Massaker teilzunehmen.
Und dann war da noch Natalias Prophezeiung, er würde sich zu einem Werwolf wandeln, in eine Kreatur Satans, die unwiderruflich verdammt war - doch
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