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Wolfsruf

Titel: Wolfsruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.P. Somtow
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Peinlich, aber nicht zu leugnen.«
    »Aber ich habe dich dort … liegen sehen …«
    »Ich bin nicht wirklich gestorben. Sagen wir, ich habe mich um das Recht geprügelt, mit der Leitwölfin zu ficken … tut mir leid, Carrie, aber im Tierreich geht’s nicht so fein zu wie in euren weißen Vorstädten. Nein, ich bin nicht tot. Ich … hm … ich habe auf eine andere Existenzebene gewechselt. Du kannst dir zusammenreimen, was du willst, aber wir spielen ihm alle in die Hände.«
    »Wem?«
    »Deinem Freund, dem Verrückten, dem beschissenen Massenmörder. Er ist ein Werwolf-Messias, weißt du das? Die Shungmanitu-Indianer waren ausgestorben, bevor du kamst. Jetzt sind sie wieder da. Es gibt wenigstens einen von ihnen. Mich! Ja, ich bin einer! Ich habe mich in einen beschissenen Werwolf verwandelt! Macht dir das Angst?«
    Ich zitterte, aber ich wollte ihn das nicht merken lassen. Ich versuchte, zur Wagentür zu gelangen, aber er versperrte mir
den Weg. Und grinste. Er hatte messerscharfe Zähne, die im schwachen Licht glänzten. »Immer mit der Ruhe, Baby«, sagte er. »Ich tu’ dir doch nichts! Ich hab dich vermisst.«
    »Ich habe die silberne Kette«, warnte ich ihn und streckte sie ihm entgegen, als wäre sie ein Kruzifix und er ein Vampir. Ich fürchtete mich und kam mir zugleich blöde vor.
    »Sei vorsichtig damit! Du könntest jemanden verletzen.« Seine Augen mieden die Kette.
    »Lass mich in Ruhe!«
    »Du glaubst, dass ich dich vergewaltigen will? Dass ich meinen primitiven Penis in deine ach so feine Muschi stecke?« Er zog etwas aus seiner Jeans und wedelte mir damit vor dem Gesicht herum. »Keine Angst, Washichun- Hündin. Ich mach’ so was nicht mehr.«
    Ich musste den Blick abwenden.
    »Noch nie einen getrockneten Rothaut-Pimmel gesehen?«
    »Preston …«
    »Mein … äh … Rivale um deine Gunst wollte sichergehen, dass ich ihm nie mehr im Weg bin. Mach dir deshalb keine Gedanken! Ich hab mich schon dran gewöhnt. Die Kavallerie hat das dauernd bei uns gemacht. Sie nähten Tabaksbeutel aus unseren Säcken.«
    »Ich …«
    »Willst du ihn? Hier, fang!«
    »Lass mich in Ruhe!«
    »Komm schon, Baby. Ich hab immer noch Gefühle da unten, weißt du das? Hast du schon einmal was von Phantomschmerzen gehört, wie wenn jemandem der Arm amputiert wird und er immer noch Gefühle hat, als wäre er dran? Siehst du, ich hab Phantomschmerzen in meinem Pimmel. Ich kriege sogar Phantomerektionen. Schon einmal von’nem Phantompimmel gefickt worden? Ich könnte sogar einen Phantomerguss haben. Die neueste Verhütungsmethode, weißt du?«
    Ich versuchte, ihn beiseitezustoßen. Aber er lachte nur. Er
packte mich am Arm. Er war stark, stärker als ich es für möglich gehalten hätte. Ich schnappte nach Luft. »Das ist alles nicht wirklich«, sagte ich. »Das ist irgendwie …«
    »Träumst du, Carrie? Fällst du in deine Träume hinein, bis du nicht mehr weißt, wo der Traum endet und die Welt beginnt? Willkommen auf dem schmalen Grat … zwischen zwei Welten …«
    »Ja, ich habe Träume, Albträume.«
    »Und du glaubst, wenn du das Buch fertig hast, dann kannst du einfach alles vergessen, dich dahinter verstecken und sagen, es ist alles nur Fiktion, die psychopathologische Studie eines Verbrechers. Das ist bloß ein Kartenhaus, Carrie! Ich puste einmal, und weg ist es!«
    »Sind wir jetzt beim Wolf und den drei kleinen Schweinchen angelangt?«
    Er lächelte. Böse. »Weißt du, ich mag dich, Carrie. Ich will dich. Ich will dich immer noch. Küss mich, Carrie.« Er presste mich an sich, und ich spürte seine Lippen auf meinen, trocken und rau wie Sandpapier. Seine Zunge strich über meinen Mund. Ich schauderte. Er sah mir direkt und vollkommen gefühllos in die Augen. Dann ließ er mich los. Langsam. Ich riss meinen Arm aus seinem Griff. Er lächelte einfach weiter. Ich weiß nicht, was als Nächstes geschah. Ich glaube, er löste sich einfach auf. Wie die Cheshire-Katze bei Alice im Wunderland. Nur sein Lächeln blieb zurück.
    Dann verschwand auch das Lächeln, bis auf das starre Glitzern eines einzelnen Reißzahns, und schließlich war auch das nicht mehr zu sehen.
    Wurde ich verrückt?
    Ich musste mich setzen. Ich fand einen freien Platz neben der viktorianischen Wachsdame. Ich zitterte am ganzen Körper. Es war, als würde der Sitz vibrieren, der ganze Zug beben, sich vorwärtsbewegen, ächzend und schnaufend durch die Prärie rollen.

2
    1881: Council Bluffs, Iowa
    Sichelförmiger Mond
     
    Johnny hörte die

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