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Wolkenfern (German Edition)

Wolkenfern (German Edition)

Titel: Wolkenfern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Bator
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Muttergottes!, seufzte die Barfrau Krysia, die Brust auf die Theke gestützt, also, im November halbnackt in der Kamionka schwimmen und Wacław! singen, ist das nicht eher Teufelswerk? Wacław Pająk beachtete nicht die Frage von Mariusz Gwóźdź, ob die Nixen große Titten hatten oder eher kleine, er schloss nur verzückt wieder die Augen. Nackte Brüste, nackter Bauch, aber unterhalb des Bauchnabels, also unterhalb des Bauchnabels, da waren sie nicht so wie andere Frauen, o nein. So einer Nixe, der kann eine normale Frau ja nicht das Wasser reichen, obwohl, Wasser haben die ja sowieso genug, wo sie mit ihrem Fischschwanz schwimmen. Silberne Schuppen, ich sag’s euch und sag es auch noch mal, und wie sich das Mondlicht darin spiegelte, da musste ich mit den Augen blinzeln wie am hellen Mittag. Wacław, sangen die Nixen, höre zu und behalte es wohl: Wir sind Nixen aus fernen Meeren, aber dereinst, wie wir noch am Leben waren, du würdest nie raten, wer wir gewesen sind. Und selbst wenn du es erraten würdest, du würdest es nicht glauben, lieber Wacław. Du würdest es dir selbst nicht glauben, murmelte Mariusz Gwóźdź vor sich hin, aber er begriff es immer noch nicht, deshalb starrte er auf seine großen Hände, trank von seinem Bier und hörte weiter zu. Du würdest es nicht glauben, Wacław, dass wir neben dir wohnten, dass wir an der Geraden Straße an dir vorbeigegangen sind und einmal in ein und demselben D-Zug nach Radomsko zum Markt gefahren sind. Bei demselben Metzger haben wir Fleisch gekauft, bei demselben Bäcker Brot. Guten Tag, hast du uns gegrüßt. Wacław, schau uns in die Augen, verlangten die Nixen, und ich wollte mich noch weiter über das Brückengeländer lehnen, um erst der einen, dann der anderen in die Augen zu blicken, so gruselig es auch war. Denn was für Augen die hatten, diese Nixen, wie ein Brunnen, in den der Mensch schaut und meint, dass ihm da einer Zeichen macht und ruft, komm zu mir!, komm zu mir! Heilige Muttergottes?, sagte Barfrau Krysia wieder und fasste nach ihrem Medaillon aus Tschenstochau, das sie an einem Kettchen trug und in Augenblicken großer Furcht zwischen ihren Brüsten hervorangelte. Ihre Augen waren grün und blau, aber sie waren auch braun, golden wie Tee, ich bin Aniela, sang die eine Nixe, und ich bin Róża, sang die andere, dann seufzten sie tief und verschwanden. Eine Zeitlang hing er noch in der Luft, der süßtönende Gesang, schloss Wacław Pająk. Was für eine Stille machte sich in der Kneipe Kurka breit! Ob das wohl die Teetanten waren? Mariusz Gwóźdź sprach aus, was andere nicht zu sagen wagten. Jawohl, erwiderte Bahnwärter Wacław Pająk, die Teetanten in Person.
    Das gab ein Getuschel in Kamieńsk, beinahe als wären die Teetanten wieder in die Napoleonhütte zurückgekehrt. Die Leute hatten Róża und Aniela schon fast vergessen, denn es ist nicht einfach, etwas in Erinnerung zu behalten, was man einfach nicht verstehen kann. Sie behielten sie so lange in Erinnerung, wie es Hoffnung gab, das Rätsel ihres Verschwindens könne sich auflösen. Sie waren spurlos verschwunden, und zwar am selben Tag wie Tadeusz Kruk, und kurz darauf verließ auch Grażynka den Ort. Dieses dreifache Verschwinden, ohne Ankündigung, ohne auch nur eine Leiche eines Ertrunkenen, Aufgehängten oder Zerstückelten, das war etwas so Schreckliches, dass man keine Worte dafür hatte. Jedes schnell gestrickte Gerücht, sei es, dass der Staatssicherheitsdienst sie nachts geholt habe, sei es, dass sie nach Amerika geflüchtet seien, weil alle drei Spione des CIA waren, erstarb, bevor es Kraft und Geschwindigkeit entwickeln konnte. Und nun, bitte schön, Nixen, der Nixen süßtönender Gesang in der Kamionka, der Nixenschwänze silberne Schuppen, das war doch was. Plötzlich konnten sich fast alle daran erinnern, dass diese Teetanten doch immer etwas Komisches an sich gehabt hatten, vielleicht waren sie wirklich Nixen, irgendwie hatte man ihnen ja auch immer so etwas Nixenhaftes angesehen. Nixenhaft, ja, bekräftigte der neue Leiter des Postamts, der aus Warschau kam und die Warschauer Nixe mehr als einmal gesehen hatte. Sie lachten weiterhin über Wacław Pająk, was dieser Pająk auch quatschte, der war wohl mit dem Kopf vor einen Signalmast geknallt, aber wenn sie ein bisschen gelacht hatten, fingen sie wieder an, von den Teetanten zu reden, als wäre dieses Lachen eine Art Eintrittskarte für die Geschichte. Sie mussten wohl Friseur Kruk auch mit diesem süßtönenden

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