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Wolkengaenger

Titel: Wolkengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Philps , John Lahutsky
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sie zu Sonjas Bruder, um nach zwei Tagen wieder zu Babulja zurückzukehren.
    Die Tage selbst waren streng durchgeplant. Jeden Morgen wurde er von Sonja geweckt und in ein großes, in einem Park gelegenes
     Gebäude gebracht. Dort erhielt er verschiedene Behandlungen. Die erste fand immer in einem warmen Raum statt, wo man seine
     Beine mit heißen Tüchern umwickelte. Wanja protestierte, doch Sonja erklärte ihm, dass er das aushalten |289| müsse, da er davon gesund würde und bald sogar laufen könne. Also ertrug er die Hitze, auch wenn es sich anfühlte, als stünden
     seine Beine in Flammen.
    Im nächsten Raum musste er sich mit den Beinen in der Luft rücklings auf eine Bank legen. Anschließend wurden seine Füße in
     ein Massagegerät gespannt, was sehr schmerzhaft war. Doch auch das müsse er aushalten, sagte Sonja, da seine Füße so gestreckt
     würden.
    Anschließend gab ihm eine dicke Frau in einem weißen Kittel eine große Spritze in den Po, wie er es aus Filimonki kannte.
     Doch von diesen Spritzen wurde er nicht müde, sondern bekam Bauchweh, so dass er danach zwei Stunden auf der Toilette verbringen
     musste. Wenn sie zurück in der Wohnung waren, legte Sonja ihm Beinschienen aus Metall mit einem Gelenk am Knie an. Abermals
     ignorierte Sonja seine Bitte, eine Pause machen zu dürfen, und sagte ihm, dass durch die Schienen seine Beine gestreckt würden.
     Sie war vom Erfolg der Behandlungen fest überzeugt.
    Nachmittags hatte Wanja dann frei und durfte unter den Bäumen im Sandkasten sitzen und mit seinen Autos spielen. Manchmal
     gesellte sich seine Pflegeschwester zu ihm, baute Sandburgen oder Straßen für seine Autos und ging mit ihm im Buggy zur Promenade,
     um ein Eis zu kaufen, das sie dann auf einer Bank mit Blick auf die schneebedeckten Berge des Kaukasus aßen.
    Doch eines Tages änderte sich alles. Es war ein milder Abend, und Wanja saß leise vor sich hin singend vor dem Haus von Sonjas
     Bruder im Sandkasten, baute seine Autos in einer Reihe auf und stellte sich vor, er sei der Fahrer des in Führung liegenden
     Wagens bei einem Rennen durch die Berge. Als er aufblickte, sah er Sonja mit großen Schritten auf sich zukommen. Ihr Gesicht
     war wutverzerrt.
    »Wanja, ich muss dir etwas Wichtiges sagen. Zwei Frauen sind auf dem Weg von Moskau hierher. Sie kommen, um dich zu holen.
     Sie werden dich einer anderen Frau übergeben.« Sie holte tief Luft. »Du musst sie daran hindern.«
    |290| Sie bückte sich und schnappte mit beiden Händen nach seinen Autos.
    »Wenn sie kommen, machst du das hier.« Sie schleuderte ein Auto nach dem anderen in den Sandkasten. »Du musst mit deinen Spielsachen
     nach ihnen werfen. Du musst sie anschreien, dass sie weggehen sollen. Wenn du dich ganz ungezogen benimmst, werden sie dich
     nicht mitnehmen wollen. Denn das Leben bei dieser Frau wird nicht so sein wie das Leben bei mir. Sie wird böse zu dir sein
     und dich schlagen.«
    Wanja war vollkommen perplex. Nie zuvor hatte jemand von ihm verlangt, sich schlecht zu benehmen. Sein Leben lang hatte er
     versucht, es anderen Menschen recht zu machen. Schuldbewusst dachte er an das eine Mal zurück, als er im Babyhaus ungezogen
     gewesen war. Wika hatte ihm von Kamelen erzählt und dass sie spuckten, woraufhin er Kamel gespielt und spucken geübt hatte.
     Die Betreuerin hatte ihn ausgeschimpft. Er erinnerte sich noch genau an das Gefühl, das er dabei hatte. So wollte er sich
     nicht noch einmal fühlen.
    Doch Sonja hatte gesagt, dass man ihn schlagen würde. Bilder aus seiner Zeit in Filimonki tauchten vor ihm auf: Kinder, die
     über den Boden in den angrenzenden Raum geschleift wurden. Selbst nachdem die Tür zugeknallt worden war, hatte er ihre Schreie
     noch hören können. Stets hatte er Angst gehabt, selbst etwas falsch zu machen und der Nächste zu sein.
    Stumm sammelte Wanja seine Autos zusammen und stellte sie wieder zurück auf den Rand des Sandkastens, auf dem Sonja schweigend
     Platz genommen hatte und grübelte.
    »Nach allem, was ich für dich getan habe«, platzte sie plötzlich heraus, »und nach all den Behandlungen, die ich für dich
     organisiert habe, bleibt mir nun nichts mehr. Sie sollten mir dankbar sein, statt mich zu beleidigen.«
    Sonja ging ins Haus zurück, und Wanja spielte weiter mit seinen Autos. Doch seine Gedanken drehten sich um die merkwürdigen
     Dinge, die Sonja gesagt hatte. Wer waren diese Frauen, die extra seinetwegen hierherkamen? Es mussten böse Frauen sein, wie
    

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