Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wolkengaenger

Titel: Wolkengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Philps , John Lahutsky
Vom Netzwerk:
erschraken zu Tode, als das Garagentor knatternd nach oben fuhr und
     der Ehemann sich im Schlaf bewegte.
    In diesem Moment klingelte das Telefon. Sonja hatte sich gerade hingelegt und taumelte nun schlaftrunken in den Flur, wo das
     Telefon stand. Wanja verlagerte seine Aufmerksamkeit von der flüchtenden Frau in dem Sportwagen auf Sonja, die kaum etwas
     sagte, jedoch schlagartig hellwach war.
    »Aber wir
müssen
fahren. Meine Tochter ist dort. Ich muss zu ihr.«
    Wieder Stille, dann sagte sie: »Nein, ich bin nicht bereit, in Moskau zu bleiben und Däumchen zu drehen. Ich sage Ihnen, was
     ich tun werde: Ich gebe Ihnen die Telefonnummer meiner dortigen Unterkunft. Sollte je ein Gerichtstermin festgesetzt werden,
     können Sie mich dort erreichen.«
    Wanja stockte der Atem, als er das Wort »Gerichtstermin« hörte. Er hatte einen Gerichtstermin mit Linda gehabt. Jetzt sprachen
     sie über einen anderen. Würde Linda am Ende |287| doch kommen, um ihn zu holen? Würde er nach England gehen?
    Er brauchte Antworten auf diese Fragen. Doch Sonja sagte ihm nichts, und sie fragen wollte er nicht, bestimmt würde sie ihn
     wieder anschreien. Was machte sie da nur? Gerade stand sie auf einem Stuhl und zerrte wütend Taschen von einem Brett über
     der Wohnungstür.
    Dann kam sie ins Wohnzimmer gestapft, machte den Fernseher aus und verkündete: »Mama, wir nehmen den Abendzug. Kümmere du
     dich ums Essen, ich packe.« Wanja sah sie nicht einmal an.
    Nun brach Hektik aus. Beladen mit Bergen von Kleidern, rannte Sonja zwischen ihrem Zimmer und dem kleinen Wohnzimmer hin und
     her, und stopfte sie in den Koffer und die Reisetasche.
    Babulja war unterdessen in die Küche gegangen. »Müssen wir wirklich heute Abend noch fahren?«, rief sie Sonja zu. »Können
     wir nicht ein paar Tage warten und ordentlich packen?«
    »Nein. Wir fahren heute«, bestimmte Sonja. Wanja erkannte an ihrem Blick, dass an ihrem Entschluss nicht zu rütteln war. Babulja
     kam ins Wohnzimmer. Ihre Haare waren ganz zerzaust, und sie trug noch immer ihr Baumwollnachthemd.
    »Aber ich habe noch überhaupt nichts gepackt und dann die ganzen Vorbereitungen für das Essen. Und sieh dir nur Wanja an –
     er ist noch nicht einmal angezogen.« Sonja beachtete sie gar nicht, während sie am Reißverschluss der übervollen Tasche zerrte.
    Wanja war noch nie mit dem Zug gefahren. Als sie am Kasaner Bahnhof aus dem Taxi sprangen, staunte er über das unbeschreibliche
     Getümmel, das sich vor ihm auftat. Niemand machte Platz für seinen Buggy, und während sich Sonja durch die mit Gepäckstücken
     beladene Menschenmenge kämpfte, rief sie ihrer Mutter immer wieder zu: »Mach schon, beeil dich. Wir dürfen den Zug nicht verpassen.«
     Doch Babulja, schwer bepackt, fiel immer weiter zurück. Als sie den Zug |288| endlich erreicht hatten, schimpfte eine uniformierte Frau mit ihnen, weil sie zu spät waren. Doch Sonja reichte der Frau einfach
     den Buggy hinauf, und beim Anblick der riesigen Eisenräder unter ihm wurde Wanja ganz aufgeregt. Sie hatten kaum ihr Gepäck
     eingeladen, da setzte sich der Zug mit einem Ruck in Bewegung und verließ den Bahnhof.
    Entzückt stellte Wanja fest, dass sie ein eigenes kleines Zimmer mit zwei Etagenbetten hatten. Babulja setzte ihn auf einem
     der unteren Betten ab und holte zusammen mit Sonja das Gepäck herein. Es klapperte an der Tür, und die uniformierte Frau brachte
     drei Gläser Tee mit jeweils zwei Stückchen Würfelzucker. Zum ersten Mal seit dem Telefonat wirkte Sonja entspannt und ermunterte
     Wanja, sich Zucker zu nehmen. Babulja packte ein Picknick aus, und gemeinsam aßen sie hartgekochte Eier und Schwarzbrot.
    Wanja war es nicht gewohnt, in einem Etagenbett zu schlafen, und der Zug schlingerte und schaukelte derart, dass er in der
     Nacht mindestens drei Mal auf dem Boden landete. Nachdem die Landschaft einen ganzen Tag lang an ihnen vorübergezogen und
     er auch in der folgenden Nacht mehrfach aus dem Bett gepurzelt war, erreichten sie am nächsten Morgen ihr Ziel: Mineralnyje
     Wody, die Stadt, in der Sonja aufgewachsen war.
    In Moskau hatte Wanja seine Zeit hauptsächlich im Wohnzimmer vor dem Fernseher verbracht. Das Leben hier jedoch war vollkommen
     anders. Zu Wanjas Erleichterung verbesserte sich Sonjas Laune, und sie lächelte sogar wieder. Doch warum sie ständig von einem
     ihrer Verwandten zum nächsten umzogen, verstand er nicht. Zunächst verbrachten sie zwei Tage in Babuljas Wohnung, dann zogen
    

Weitere Kostenlose Bücher