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Wolkengaenger

Titel: Wolkengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Philps , John Lahutsky
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nachdem sie ihre drei Jungs versorgt wusste,
     ging sie nun voller Begeisterung ans Werk.
    Wir gingen nach oben und traten ans Tageslicht, wo es vor Menschen, Bussen und Straßenbahnen sowie Verkaufsständen nur so
     wimmelte. Der Überlebenskampf, den die Menschen hier tagtäglich führten, erinnerte an Städte in Afrika oder Asien. Auf dem
     Bürgersteig parkten Taxis, keuchende Ladas, an denen finstere Typen in Lederjacken und mit Goldzähnen lehnten. Ich zeigte
     dem Fahrer des ersten Taxis in der Reihe die Adresse, und er verlangte 400 Rubel. Wir einigten uns auf 300, und holpernd setzten
     wir uns in Richtung der vornehmeren Stadtteile in Bewegung.
    Moskau hatte sich seit meiner Abreise vor neun Jahren vollkommen verändert. Ich dachte an die Zeit zurück, als ich in diesem
     Teil der Stadt um das Haus herumgeschlichen war, in das Alexander Solschenizyn, der zurückgezogen lebende regimekritische
     Schriftsteller, nach seiner Rückkehr aus dem Exil 1994 gezogen war. Ich erinnerte mich an bewaldete Hügel und ein unberührtes
     Flussufer. Nun standen hier vier absonderliche Hochhäuser mit leuchtend orangefarbenen Balkonen.
    »Die sind für die Superreichen«, erklärte der Fahrer. »Sie können direkt mit ihren Yachten vorfahren.« Die Menschen, die früher
     hier gelebt hatten, waren – sehr zur Empörung der Öffentlichkeit – umgesiedelt worden.
    Offen seine Schadenfreude zur Schau tragend, fuhr der Fahrer fort: »Die Bauherren haben auf sumpfigem Grund gebaut. Wenn man
     nur eine Stunde den Strom abdreht, laufen die Keller voll.«
    »Na, dann ist ja gut, dass Sie sich keines der Penthouses gekauft haben«, scherzte ich. Er lachte, und wir schlossen Freundschaft.
    Kurz darauf verließen wir die Stadt und fuhren durch ländlichere Gegenden, vorbei an baufälligen, einstöckigen Holzhäusern |310| mit verrosteten Blechdächern. Dazwischen lugten immer wieder die Backsteintürmchen der Miniaturschlösser über den Birken hervor,
     die sich die Moskauer Neureichen hier gebaut hatten.
    Wika und ich warfen erneut einen Blick auf den Zettel mit der Adresse, auf dem nicht mehr stand als ein Straßenname und ein
     paar Zahlen: 2. Mjakininski Straße, 2-2-7. Scheinbar trugen hier alle Straßen denselben Namen und waren lediglich durchnummeriert.
     Unser Ziel war also die Hausnummer 2 in der 2. Straße. Und Hausnummer 2 musste aus mehreren Gebäuden bestehen, wovon wir das
     zweite Gebäude suchten. Und darin war es dann Wohnung Nummer 7.
    Der Ort schien zwar tatsächlich nur aus einer einzigen Straße zu bestehen, doch einen Straßennamen, Hausnummern oder jemanden,
     den wir hätten fragen können, fanden wir nicht. Keines der Gebäude sah groß genug aus, um sieben Wohnungen darin zu beherbergen.
     Wika hatte die Gegend bereits 1996 auf der Suche nach Wanjas leiblicher Mutter abgesucht, doch keines der Gebäude kam ihr
     bekannt vor. Ich entdeckte ein Pförtnerhaus am Ende der Straße, das der Bewachung einer Baustellenzufahrt diente, wo schicke
     neue Häuser errichtet wurden. Ich stieg aus dem Taxi, um nach dem Weg zu fragen, doch der Zugang zu dem Pförtnerhaus glich
     dem Zutritt zur Grünen Zone in Bagdad: Er war unmöglich. Also schrie ich durch einen hohen Zaun.
    »Ist das hier die 2. Mjakininski Straße?«
    »Könnte sein«, sagte der Wachmann.
    »Und wo wäre dann Hausnummer 2?«
    Er deutete auf die andere Straßenseite. Wir fuhren an der Bushaltestelle vorbei eine steile sandige Straße hinauf. Unser Angebot,
     den Weg zu Fuß zurückzulegen, schlug der Fahrer aus und quälte den alten Lada stattdessen über Sandhügel und tiefe Schlaglöcher,
     bis wir schließlich eine riesige Betonmauer erreichten, die mitten durch den Wald verlief. Hinter der Mauer dröhnten Bulldozer.
    Quer über die Straße verlief ein großes Stahltor. Als ich ausstieg, |311| kamen gerade zwei Männer – der eine klein und rund, der andere groß mit Halbglatze und intellektuell aussehender Brille –
     aus dem Tor gelaufen. Ich fragte sie nach der Adresse und die beiden fingen an, sich aufzuführen wie
Dick und Doof
.
    »Wurde plattgemacht«, sagte der eine.
    »Steht noch«, sagte der andere ebenso überzeugt.
    »Plattgemacht.«
    »Steht noch.«
    Sie gerieten regelrecht aneinander und deuteten auf die andere Seite der Mauer. Alle Häuser waren abgerissen worden – bis
     auf eins. Möglicherweise war das das Haus, nach dem wir suchten. Die Chance stand 50 zu 50, dass Wanjas erstes Zuhause noch
     stand.
    »Was wird denn hinter der

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