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Wolkengaenger

Titel: Wolkengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Philps , John Lahutsky
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Jungen, der sich seiner Vernichtung durch dieses entsetzliche System widersetzte,
     war es gelungen, die Anstaltsmauern zu durchdringen, und nun schickte er Nachrichten zurück. Dieser schwache, kleine Junge
     kämpfte ausgehungert, sediert und vollkommen allein um sein Leben. Doch auch ihn drohte das System allmählich seiner Kraft
     zu berauben.«
    Mit einem Blatt Papier wedelnd kehrte Adela in den Garten zurück. Staunend las Sarah die handgeschriebenen Zeilen: »Mein Name
     ist Wiktoria Kitajewa. Ich sorge mich um einen Jungen (6 Jahre), Wanja Pastuchow, dem es jetzt schlecht geht, aber er ist
     sehr klug und ein guter Junge. Können Sie mich anrufen auf der Arbeit oder daheim vor 8 oder nach 22 Uhr?«
    »Wer ist diese Frau, Adela?«
    »Das ist Wika. Sie hat sich mit Wanja angefreundet, als er hier war.«
    »Gehört sie zum Personal?«
    »Nein, sie kam freiwillig, so wie Sie. Eine junge Frau, sie kam einfach zu Besuch.«
    »Aber warum habe ich sie nie kennengelernt? Warum haben Sie mir nicht schon viel früher von ihr erzählt?«
    Darauf hatte Adela keine Antwort. »Wika hat Wanja im |136| Internat besucht. Sie versucht, ihm zu helfen. Jetzt möchte sie, dass Sie sie anrufen. Ich kann kein Englisch, aber ist das
     hier nicht eine Telefonnummer?«
    »Ich werde sie anrufen. Aber ich verstehe immer noch nicht, warum Sie sie erst jetzt erwähnen.«
    Adela murmelte irgendetwas von der Küche und verschwand zurück ins Haus.
    Sarah konnte es nicht fassen. Sie hatte sich immer gewünscht, Kontakt zu einem Menschen hier zu bekommen, der das Potential
     dieser Kinder erkannte. Aber wann sollte sie sich mit der Frau treffen? In zwei Tagen wollte sie mit ihren Kindern über den
     Sommer wegfahren. Ganze Monate waren nutzlos verstrichen. »Zumindest anrufen kann ich sie vor meiner Abreise noch«, beschloss
     Sarah.

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    |137| 10.
SAURE TRAUBEN
    Juli bis Oktober 1996
    Als Wikas Wecker am Samstagmorgen um halb acht klingelte, hätte sie sich am liebsten noch einmal umgedreht und weitergedöst.
     Sie hatte aufgrund der unerträglichen Hitze, die in den Sommermonaten in der Dachgeschosswohnung ihrer Großmutter herrschte,
     kaum ein Auge zugetan. Doch dann fiel ihr Sarahs Mann Alan ein, der heute bei ihr vorbeikommen wollte. Er hatte ein paar Abende
     zuvor bei ihr angerufen und sie gebeten, ihn nach Filimonki zu begleiten, um Wanja zu besuchen. Wika stöhnte. Ihr steckte
     noch immer das Martyrium mit Natascha in den Knochen. Darüber hinaus hatte ihr der Mann von der Adoptionsagentur mitgeteilt,
     dass von Seiten des Ministeriums mit einer sechsmonatigen Wartezeit zu rechnen sei, bis Wanja adoptiert werden konnte. Wika
     bezweifelte, dass er so lange durchhielt. Sie wusste einfach nicht, was sie noch tun sollte.
    Als Alan angerufen hatte, wollte Wika zunächst ihrem ersten Impuls folgen und ihm sagen, dass er allein fahren solle. Doch
     seine freundliche, bescheidene Art hatte sie umgestimmt. »Wenn Sie mich bei meiner Großmutter abholen«, sagte sie, »komme
     ich mit«, woraufhin er sich für acht Uhr morgens angekündigt hatte. Das war in einer halben Stunde, und sie war noch nicht
     einmal angezogen.
    Zum Glück bereitete Wikas Großmutter in der Küche bereits Tee zu. Hastig klappte Wika das Schlafsofa zusammen, das die beiden
     sich teilten, und verstaute das Bettzeug. Dabei rief sie ihrer Großmutter zu, dass sie eine weitere Tasse und etwas zu essen
     auf den Tisch stellen sollte, doch alles, was |138| noch da war, belief sich auf eine kleine Schüssel mit Würfelzucker, einen Teller Frühlingszwiebeln und eine eingestaubte Packung
     Waffeln.
    Wika nahm einen Rucksack und sah sich nach dem kleinen Paar Stiefel um, das ihr ein Mitglied der Gemeinde für Wanja gegeben
     hatte. Da sie nichts für ein Picknick mit Wanja zu Hause hatte, würde sie Alan bitten müssen, unterwegs zu halten, um etwas
     zu besorgen. Als es klingelte, drückte Wika den Türöffner und ließ Alan ins Haus.
    Nachdem sie ihm die Wohnungstür geöffnet hatte, war ihr erster Gedanke: Wie soll ich diesen großen, schlaksigen Mann in dem
     karierten Hemd nur als meinen Cousin ausgeben? Er sah so unleugbar englisch aus. Statt eines kurzärmeligen Hemds, wie es ein
     Russe üblicherweise an einem Samstag im Sommer trug, hatte er seine langen Ärmel bis zu den Ellbogen hochgekrempelt.
    »Sind Sie fertig?«, fragte er.
    »Noch nicht ganz. Kommen Sie doch auf eine Tasse Tee herein, dann stelle ich Ihnen meine Großmutter vor.«
    Wika ließ Alan am

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