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Wolkengaenger

Titel: Wolkengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Philps , John Lahutsky
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sie lediglich. »Mit Ihrem Artikel werden Sie ihm helfen, nicht wahr?
     Was werden Sie schreiben?«
    »Das weiß ich noch nicht. Ich muss mich dort erst einmal umsehen. Rührselige Geschichten sind normalerweise nicht mein Terrain.
     Der britischen Presse geht es nicht darum, zu helfen, sondern aufzuwühlen. Die Geschichte wird ein Testlauf, mal sehen, wie
     die Leute reagieren.«
    »Was meinen Sie mit Testlauf?«
    »Wir warten einfach ab, was sich anschließend so tut.«
    Sie erreichten die Ausläufer der Stadt, und der Verkehr begann, flüssiger zu laufen. Sie könnten Wanja für ein Picknick mit
     nach draußen nehmen, dachte Wika, während sie durch die offene Landschaft fuhren. Das würde ihm Spaß machen.
    |141| An der Anstalt angekommen, schien es, als ob die Natur den Atem angehalten hätte. Die Sonne war verschwunden, und in Erwartung
     des Regens waren Vögel und Insekten verstummt. Das Tor war trotz der Sicherheitsvorkehrungen, die infolge von Sergejs Besuch
     getroffen worden waren, nicht verschlossen. Doch Wikas Freude darüber war verfrüht, denn als sie das Gebäude betraten, sahen
     sie sich mit zwei neuen Wachmännern konfrontiert, die ganz in Hollywoodmanier verspiegelte Sonnenbrillen trugen. Wika fragte
     sich, wie sie mit dem Ausländer im Schlepptau an ihnen vorbeikommen sollte. Sie entschied sich, erst gar nicht stehenzubleiben,
     und erklärte den beiden im Vorbeigehen, dass sie zur leitenden Ärztin wollten, deren Namen sie sich zum Glück gemerkt hatte.
     Alan sagte nichts, und die Männer ließen sie tatsächlich passieren.
    Es gab weitere neue Sicherheitsmaßnahmen, die die Isolation der Kinder von der Außenwelt noch verstärkten. So war die Glasscheibe
     in der Tür zum Kindertrakt mit einer Holzlatte zugenagelt worden. Wika klopfte und rief. Nach ein paar Minuten erschien eine
     Betreuerin.
    »Ohne Erlaubnis können Sie nicht hereinkommen.«
    »Aber ich habe Wanja schon öfter besucht«, sagte Wika. »Der Leiter kennt mich.«
    »Die Vorschriften wurden geändert.«
    »Aber ich habe die ganze Woche versucht anzurufen, um eine Erlaubnis einzuholen. Es ist nicht meine Schuld, dass das Telefon
     kaputt ist.«
    Die Betreuerin gab nach. »Sie haben fünfzehn Minuten.«
    Aufgrund der Hitze stank es drinnen noch beißender nach Urin und Kot als bei ihrem letzten Besuch. Wika brachte Alan in den
     weißgekachelten Raum und sagte ihm, er solle dort warten.
    »Was ist mit dem Zimmer, in dem die Kinder in Käfigen gehalten werden? Ich muss das sehen.«
    »Nein. Das würde sie misstrauisch machen. Sie müssen tun, was ich Ihnen sage, oder wir werden rausgeworfen.«
    |142| Wika ging los, um Wanja zu holen, und brachte ihn, gefolgt von der Betreuerin, in das Besuchszimmer. Wika fragte die Frau,
     ob sie Wanja mit nach draußen nehmen könnten: »Er braucht frische Luft und Sonne.«
    Doch die Betreuerin verweigerte ihr die Erlaubnis. »Es fängt jeden Moment an zu regnen. Die Kinder sind von der Hitze ganz
     erschöpft. Wir können nicht riskieren, dass sie nass werden.«
    Sie verließ das Zimmer, und Alan fragte: »Was können so ein paar Tropfen Sommerregen schon anrichten? Vierundzwanzig Stunden
     am Tag hier drinnen eingesperrt zu sein schadet ihnen viel mehr.«
    Wika ließ Wanja auf einen Stuhl vor dem Fenster knien und setzte sich neben ihn, so dass er hinunter in den betonierten Hof
     schauen konnte. Bis auf ein paar streunende Hunde war dort alles ruhig. Als die ersten Tropfen fielen, streckte Wika eine
     Hand durch die Gitterstäbe und hielt sie anschließend Wanja hin. »Regen. Erinnerst du dich an den Regen?«, fragte sie ihn,
     doch Wanja interessierte sich viel mehr für die schwarzen Johannisbeeren. Mit höchster Konzentration nahm er eine nach der
     anderen aus dem Becher, steckte sie sich in den Mund und genoss den intensiven süßen Geschmack.
    Draußen ging inzwischen ein Wolkenbruch nieder, dem die Regenrinnen an der Hausfassade nicht gewachsen waren.
    Wanja wandte sich vom Fenster ab und fragte Wika: »Wie geht es Andrej?« Allmählich fand er seine Sprache wieder.
    »Es geht ihm gut. Aber er vermisst dich sehr.«
    »Sag ihm, dass ich an ihn denke. Wann kommt er denn?«
    »Ich weiß es nicht, Wanja. Ich weiß nicht, wann du Andrej wiedersehen wirst.« Sie brachte es nicht übers Herz, ihm die Wahrheit
     zu sagen: dass Andrej nie hierherkommen würde. Sie drehte sich zu Alan um und sagte auf Englisch: »Sie wissen, dass Andrej
     nach Amerika geht?«
    »Ja, zu einer Familie nach

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