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Wolkengaenger

Titel: Wolkengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Philps , John Lahutsky
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keine Unmenschen, und es lag ihnen etwas daran, einen Jungen vor dem Internat zu retten. Doch
     die Beamtin reagierte vollkommen ungerührt aufs Sarahs Bitte. »Ich weiß, das Dokument soll am 1. Mai fertig sein, aber da
     beginnen die Ferien. Wenn Sie die Angelegenheit also ein bisschen beschleunigen könnten, wäre uns damit sehr geholfen.«
    »Das ist ausgeschlossen«, erwiderte die Frau. »Vor Ende der Ferien wird es nicht fertig sein.«
    »Aber der Anwalt wird dann einen weiteren Monat darauf warten müssen. Das ist zu spät.«
    »Aller Wahrscheinlichkeit nach, ja.«
    Verzweiflung machte sich in Sarah breit, doch noch gab sie nicht auf. »Es handelt sich lediglich um eine Bestätigung, dass
     der Junge im Adoptionsverzeichnis geführt wird. Bestimmt ist es ein ganz einfaches Dokument? Bitte seien Sie doch so nett,
     und stellen es diese Woche noch aus. Ich komme gern vorbei, um es abzuholen. Ich wohne in Moskau.«
    Die Frau schlug nun einen deutlich eisigeren Ton an. »Das ist nicht möglich. Die Sache hat den offiziellen Weg zu gehen.«
    Ratlos und verletzt legte Sarah auf. Seit Wochen wollte sie sich bestimmte Vermutungen nicht eingestehen, doch nun ließen
     sie sich nicht länger verdrängen. Warum bereitete es dieser Frau solch ein Vergnügen, sich querzustellen? Befanden sich Grigori
     und die Frauen vom Ministerium im offenen Kriegszustand? Der Anruf hatte Sarah etwas sehr deutlich vor Augen geführt: Irgendjemand
     ganz oben im Ministerium war fest entschlossen, Wanjas Adoption zu sabotieren.
     
    |212| Ein paar Tage später schauten Sarah und Rachel wieder bei Wanja vorbei. Es war wärmer geworden, die Sonne schien, und Wanjas
     Gruppe war nach draußen gebracht und in einen winzigen Außenlaufstall gesperrt worden. Auch Dusja, die Betreuerin, hatte sich
     zu den Kleinkindern gezwängt und saß zusammengekauert und erschöpft an das Seitenteil des Laufstalls gelehnt.
    Während in der einen Ecke des Gartens eine einzelne entkräftete alte Frau auf ein Dutzend Dreijähriger aufpasste, tummelten
     sich in den übrigen Teilen des Gartens jede Menge Erwachsene, die die Sonne genossen. Auf der Veranda saßen rauchend drei
     Wachmänner, lösten Kreuzworträtsel und hörten Radio. Jeden Monat wurden ihre Uniformen schicker und aufwendiger. Heute beispielsweise
     trugen sie eine neue Dienstmütze: eine Art Matrosenkappe mit einem Band, das an der Rückseite herunterhing.
    Als sich Sarah und Rachel dem Laufstall näherten, streckten ihnen die Kinder die Arme entgegen und riefen: »Mama, Mama.« Sarah
     nahm ein kleines Mädchen hoch und reichte sie Rachel. Sie selbst nahm Anastasia auf den Arm, ein Mädchen mit Down-Syndrom,
     das sich selbst das Sprechen beibrachte. Nun wollten auch alle anderen Kinder herausgenommen werden und begannen zu jammern.
     Dusja warf den beiden Frauen einen finsteren Blick zu. Da ihre Hilfe hier draußen nicht willkommen zu sein schein, zogen sie
     sich ins Haus zurück.
    Es war Dienstag, und im Babyhaus herrschte geschäftiges Treiben. Aus allen Zimmern schwärmten Frauen mit Babys auf dem Arm.
     Sie waren auf dem Weg zum Priester, um die Kinder segnen zu lassen. Das Babyhaus hatte gerade eine ganze Gruppe Babys aus
     Krankenhäusern erhalten, wo sie von ihren Müttern zurückgelassen worden waren. Nun besetzten die Kleinen die freigewordenen
     Plätze jener älteren Kinder, die vor kurzem in Kinderheime und andere Anstalten überwiesen worden waren – die große Verlegung,
     bei der auch Wanja hätte dabei sein sollen.
    Sarah wollte Rachel mit nach oben nehmen, um ihr Wanjas |213| ehemalige Gruppe 2 zu zeigen. Doch sie wurde von einer der älteren Frauen aufgehalten. Sarah erklärte ihr, dass sie eine Salbe
     für Tolja, den blinden Jungen, dabeihabe, der unter einem bedenklichen Ausschlag im Gesicht litt, woraufhin ihr die Frau erklärte,
     der Junge sei zusammen mit den anderen in ein Internat gekommen.
    Sie liefen zurück zum Haupteingang, wo sie mit Swetlana zusammenstießen. Sie hatte sich seit Sarahs letztem Besuch in ein
     wahres Energiebündel verwandelt und schickte den Fahrer des alten Wolga seither quer durch ganz Moskau, um Dokumente und Unterschriften
     für Wanjas Adoption zusammenzusammeln. Endlich schien die Angelegenheit so richtig ins Rollen gekommen zu sein.
    »Rachel«, hörten sie plötzlich Wanja vom anderen Ende des Flures rufen. Er hatte sich ihren Namen gemerkt, obwohl er ihn nur
     ein einziges Mal gehört hatte. Er war gerade in der Kapelle gesegnet

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