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Wolkengaenger

Titel: Wolkengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Philps , John Lahutsky
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Sie fragte, ob Asja, die Sonderschullehrerin, bereit
     wäre, Wanja nach England zu begleiten und sich um ihn zu kümmern, während Linda als Physiotherapeutin arbeitete. Asja könne
     so lange bleiben, wie sie wolle. Sarah war bald klar, dass Wanja sich in die neue Situation würde einfügen müssen, und sie
     beschlich das Gefühl, dass er nicht den Mittelpunkt von Lindas nunmehr so ausgefülltem Leben bilden würde.
    Am nächsten Morgen fuhr Sarah mit Linda, George und |218| Philip zur großen Familienzusammenführung ins Babyhaus 10. Über ein Jahr war seit ihrem letzten Treffen vergangen, und Wanja
     schrie vor Freude, als er Linda sah. Doch Linda verhielt sich zurückhaltend, und es war schließlich George, der Wanja hochnahm
     und auf dem Arm hielt. Vom Personal hatte Wanja den Namen seines zukünftigen Vaters erfahren und sich, sehr zu Georges Gefallen,
     bereits überlegt, wie er ihn nennen wollte: »Papa Jora«. Kritisch wurde es, als er Philip mit den Worten »brat, brat« begrüßte.
     Auf Russisch hieß das Bruder, auf Englisch hingegen stand es für Raufbold; nicht gerade ein Name, nach dem einem britischen
     Teenager der Sinn stand. Adela war nirgends zu entdecken, doch ihre Stellvertreterin erteilte den Fletchers die Erlaubnis,
     Wanja jeden Tag abzuholen und mitzunehmen.
    Rückblickend betrachtet, war das ein großer Fehler. In Anbetracht der fremden Umgebung und der Sprachbarriere hätte ein Sozialarbeiter
     empfohlen, nicht mehr als eine Stunde täglich miteinander zu verbringen. Doch dem Personal des Babyhauses fehlte der nötige
     Sachverstand. Und Linda stand der Herausforderung, ihre Familie in einer völlig fremden Umgebung um ein Mitglied zu erweitern,
     vollkommen hilflos gegenüber.
    Eine Stunde später saß ein überaus zufriedener Wanja in Sarahs und Alans Küche auf Georges Schoß und aß Baked Beans und Kroketten.
     Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er ein Messer in der Hand und forderte alle Anwesenden auf, ihm dabei zuzusehen, wie
     er seine Kroketten damit schnitt. Beinahe acht Jahre lang hatte er ein Leben geführt wie Oliver Twist: gezwungen, unterwürfig
     das an Nahrung anzunehmen, was ihm gegeben wurde, ohne je um etwas bitten zu dürfen. Doch nun wurde ihm bewusst, dass ein
     neues Kapitel begonnen hatte. Gebieterisch verlangte er nach mehr Brot. Statt Tadel erhielt er eine Scheibe, jedoch nicht
     ohne die Aufforderung, »bitte« zu sagen. Linda saß derweil nur schniefend am Kopfende des Tisches und sah erbärmlich aus,
     der Grund dafür blieb zunächst unklar.
    Von nun an saß Wanja jeden Morgen gestiefelt und gespornt |219| am Eingang des Babyhauses und konnte es gar nicht erwarten, von seiner neuen Familie abgeholt zu werden.
    Seine sozialen Kompetenzen erweiterten sich stündlich. Er erkundete seine neue Umgebung und versuchte zu verstehen, wie eine
     Familie lebte. Wieso standen im Wohnzimmer keine Betten?, war nur eine seiner vielen Fragen. Obwohl er es nicht kannte, sich
     zwischen verschiedenen Dingen entscheiden zu dürfen, traf er augenblicklich seine Wahl, wenn ihm Apfel- oder Orangensaft angeboten
     wurde. Er gewöhnte sich an die Anwesenheit eines Hundes und stellte fasziniert fest, dass sich Kinder in seinem Alter mitunter
     auch danebenbenehmen. Als Sarahs neunjährige Tochter in einer Pizzeria die Speisekarte vollkritzelte, rief er begeistert:
     »Catherine randaliert. Ich will auch randalieren.«
    Linda hatte sich während des vergangenen Jahres bemüht, Russisch zu lernen, doch angesichts der Komplexität der Sprache verstand
     sie kein Wort von dem, was Wanja sagte. Und obwohl alles gedolmetscht wurde, konnte man ihrem verdrossenen Gesichtsausdruck
     entnehmen, dass sie sich ausgeschlossen fühlte.
    Die Fletchers waren seit zwei Tagen in Moskau, als endlich der Sommer einkehrte. Am vierten Tag besichtigten alle zusammen
     die Stadt. Am Springbrunnen vor dem Bolschoj-Theater fragte Wanja, ob er aus seinem Buggy dürfe, um eine Hand ins Wasser zu
     halten. Seine Begeisterung und Freude an diesem einfachen Vergnügen steckte sogar Linda an, und sie gesellte sich zu ihm.
    Am nächsten Tag entdeckte Wanja die Natur bei einem Picknick am Ufer der Moskwa. Während die Erwachsenen plauderten, war Wanja
     ausnahmsweise einmal still und gab sich ganz der Natur hin – saugte die Farben in sich auf und befühlte das weiche Gras und
     die spitzen Kiefernnadeln. Später, bei einem Spaziergang, überredete er die Männer, ihn abwechselnd auf die Schultern zu nehmen
    

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