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Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)

Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)

Titel: Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Beldt
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Kartoffeln und Rindsrouladen vorsetzte. Natürlich hatte ich keine Ahnung. Ob es Zufall war, dass ich an seinem Platz saß? Vielleicht sah sie mich schon als seinen Nachfolger, was ich dann doch etwas beleidigend fand. Offenbar war ich bei ihr als Mann bereits durchgefallen und kam nur noch als Sohn infrage. Aber womöglich gab es ja überhaupt keinen Sohn und im Zimmer oben schlief normalerweise Herr Radtke, der sich aus lauter Verzweiflung, von seiner Frau nicht mehr ernst genommen zu werden, Poster von Hardrockbands und zum Ärger seiner Frau eine rassige Blondine an die Wand genagelt hatte. In Wahrheit hatte ich es mit einem perversen Ehepaar zu tun, das seine ungewollte Kinderlosigkeit an Tagestouristen rächte. Besonders am Wochenende, wenn kein Bus verkehrte, fuhr Herr Radtke die gesamte Gegend auf der Suche nach erschöpften Wanderern ab, die er dann zu sich nach Hause einlud. Auf einmal passte alles zusammen. Ich wurde von Frau Radtke gemästet, bis ich dick genug war, um dann zu Mettwurst verarbeitet zu werden, die später auf Schnittchen neuen Gästen angeboten wurde.
    Plötzlich hatte ich keinen Hunger mehr.
    »Sie sind doch nicht etwa schon fertig«, ermahnte mich Frau Radtke und schaufelte noch mehr Kartoffeln auf meinen Teller. »Sie sehen ja noch ganz hungrig aus.«
    »Vielen Dank«, sagte ich und klopfte auf meinen runden Bauch, was ich besser nicht getan hätte.
    »So ein schlanker Mann wie Sie darf doch richtig zulangen.«
    Sie lachte und blickte dabei zu Herrn Radtke, von dem jedoch keinerlei Reaktion kam. Stattdessen trank er ein Bier nach dem anderen, als könnte er die dauernde Abschlachterei harmloser Touristen nicht mehr ertragen. Im Grunde hatte er längst aussteigen wollen, wurde von seiner Frau jedoch weiter dazu gezwungen, da sie ihn für die Kinderlosigkeit verantwortlich machte.
    »Ich zeige Ihnen jetzt mal den Garten«, schlug Herr Radtke vor und fing sich damit den bösen Blick seiner Frau ein, die mit dieser Programmänderung offensichtlich gar nicht einverstanden war.
    »Wenn du meinst«, sagte sie schmallippig, was Herrn Radtke jedoch keineswegs beeindruckte. Er schnappte sich zwei Wassergläser, füllte sie großzügig mit Obstbrand, und zog mich hinaus auf die Terrasse.
    Die untergehende Sonne tauchte den Garten in ein milchiges Licht. Vielleicht war ich aber auch nur so betrunken, dass ich den Garten lediglich verschwommen wahrnahm. Ich sah Tomaten, Kartoffeln und Mohrrüben in mehreren Beeten gleichmäßig nebeneinander aufgereiht. Ein Garten für Selbstversorger.
    »Wenn Sie mal aus dem Haus geworfen werden«, sagte ich, nur um irgendetwas zu sagen, »können Sie hier problemlos überleben.«
    Herr Radtke blickte mich verschwörerisch an und packte meinen Arm.
    »Soll ich Ihnen was verraten?«
    Ich nickte. Mein Kopf war so schwer, dass ich eine gefühlte Minute dafür brauchte.
    »Ist mir sogar schon mal passiert. Was sagen Sie jetzt?«
    Ich sagte erst mal nichts, weil mir dazu im Grunde nichts einfiel.
    »Und«, sagte ich schließlich, »was haben Sie da gemacht?«
    Herr Radtke lächelte. Er wollte gar nicht wieder aufhören zu lächeln. Endlich fiel ihm die entsprechende Antwort ein. »Ich hab unterm Baum geschlafen und Tomaten gefressen.« Er lachte laut auf. Dann trat er dicht an mich heran. »Und wissen Sie was? Es hat mir gefallen, ist das nicht komisch?«
    »Man sollte viel öfter unter Bäumen schlafen«, meinte ich, ohne mir viel dabei zu denken.
    »Ja, genau! Wir Männer müssen raus in die Natur, ist doch furchtbar, diese Abhängigkeit von den Weibern.«
    Ich versuchte meine letzten klaren Gedanken zu ordnen. »Haben Sie eigentlich öfter Gäste, ich meine welche wie uns?«
    Herr Radtke sah mich verwundert an.
    »Ich meine«, sagte ich zögernd, gab mir jedoch endlich einen Ruck, »laden Sie am Wochenende öfter Gäste zu sich nach Hause ein?«
    »Ach so, nein, nein, wie kommen Sie denn darauf?«
    Ich dachte kurz nach. »Es ist also kein Hobby von Ihnen?« Die Frage kam mir plötzlich absurd vor. Ich hatte einfach zu viel getrunken.
    »Ein Hobby? Wo denken Sie hin. Ich bin froh, wenn ich meine Ruhe habe.«
    Ich atmete auf.
    »Aber vielleicht wäre das eine gute Idee für meine Frau«, meinte er nach einer kurzen Pause, »ich schaff die Leute ran, und meine Frau kann sie dann zu Tode füttern!« Er grinste, als würde ihm diese Idee eigentlich ganz gut gefallen.
    »Ich heiße übrigens Gert«, sagte Herr Radtke, sein Glas hebend.
    »Bernd«, sagte ich.
    Wir tranken

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