Wollust - Roman
meine Frage nicht beantwortet. Hast du sie je zusammen mit einem Inder gesehen?«
»Ich kann mich nicht daran erinnern, Mom je mit irgendeinem Mann gesehen zu haben, und schon gar keinem Inder«, log er. »Ich meine, klar hab ich gesehen, wie sie mal mit Männern geredet hat, aber da ist mir nie was Besonderes aufgefallen.«
Jetzt gab es eine Pause. »Gut. Falls du irgendetwas herausfindest, lässt du es mich wissen, okay?«
»Na klar«, log Gabe wieder. »Bist du in Los Angeles?«
»Nein. Ich rufe dich an, falls ich deine Mutter finden sollte.« Donatti schwieg kurz. Einen Moment lang dachte Gabe, er hätte bereits aufgelegt. »Kommst du klar, wo du jetzt bist?«, fragte Chris schließlich.
»Für wildfremde Leute sind sie sehr nett.«
»Wenn sich der Staub gelegt hat, kannst du bei mir wohnen. Wenn du nach New York zurückwillst, besorge ich dir eine Haushälterin. Persönlich denke ich allerdings, dass du an deinem jetzigen Aufenthaltsort besser aufgehoben bist.«
»Ganz deiner Meinung, vor allem, weil ich einen Lehrer gefunden habe.«
Eine Pause. »Wen?«
Diesmal schwang echte Neugier in der Stimme seines Vaters mit. Er und Chris hatten zwei Dinge gemeinsam: Mom und Musik. Beide waren dominierende Faktoren in ihren jeweiligen Leben.
»Nicholas Mark.«
Wieder schwieg Donatti. Dann platzte es aus ihm heraus. »Verdammt, wie hast du denn das gedreht?«
»Sein Arzt ist der Handspezialist, bei dem ich war. Zufälligerweise hat er mich spielen gehört und hinterher zugestimmt, mich für ein paar Unterrichtsstunden anzunehmen. Ich hoffe, dass mein Engagement ihn davon überzeugen wird, mich ständig zu unterrichten. Ich brauche jemanden seines Kalibers, wenn ich beim Chopin-Wettbewerb in fünf Jahren mitmachen will.«
»Was hast du für ihn gespielt?«
»›Fantaisie-Impromptu‹ und ›La Campanella‹.«
»Du hast mit einer geprellten Hand ›La Campanella‹ gespielt?«
»Klar, mit Fehlern, aber so schlecht war’s dann doch nicht. Ich war entspannt, ich wusste nicht, dass ich vor Nicholas
Mark spiele. Hauptsache, er hat zugestimmt, mir ein paar Stunden zu geben.«
»Vielleicht aktivierst du ja endlich dein verdammtes Potential. Ich habe dir immer gesagt, dass du, wenn du mit dem Herumeiern aufhörst, einer der ganz Großen sein kannst.«
»Danke für das Kompliment – zumindest nehme ich es als eins.«
»Spiel hier bloß nicht den Schlaumeier.« Nach einer Pause fuhr er fort: »So Typen wie Mark sind sicher nicht ganz billig. Falls du mehr Geld brauchst, ruf in einem meiner Läden an, und ich zahle mehr Bargeld auf deine Konten ein. So nett es auch war, mit dir zu plaudern, Gabriel, jetzt ruft die Pflicht. Ich muss Schluss machen.«
Aber Gabe war noch nicht bereit aufzulegen. »Beunruhigt es dich nicht, dass sie den Anruf zurückverfolgen könnten?«
»Handyanrufe verfolgt man über die Sendemasten. Und Sendemasten kann man mit der richtigen Ausrüstung manipulieren.«
»Falls du Mom findest, tu ihr bitte nichts.«
»Ich werde ihr nichts tun . Damit bin ich durch.« Das sagte er mehr zu sich selbst als zu Gabe. »Ich bin verdammt sauer, aber es fehlt mir nicht an Einsichtigkeit. Mit mir zusammenzuleben, ist unmöglich. Wenn sie irgendetwas loswerden will, kann ich damit umgehen. Ich will sie hauptsächlich deshalb finden, weil ich sie liebe. Und außerdem laufen alle meine Geschäfte auf ihren Namen. Demnächst stehen Steuerzahlungen an, und sie muss die Papiere unterschreiben, sonst bin ich am Arsch.«
»Warum fälschst du nicht einfach ihre Unterschrift?«
»Das mache ich ja schon die ganze Zeit, das ist nicht das Problem. Das wahre Problem liegt darin, dass sie, falls sie offiziell als vermisst – nicht tot, nur vermisst – gilt, rein gar nichts unterschreiben könnte. Was ihr gehört, hängt dann in der
Luft, bis es einen offiziellen Beschluss gibt. Mir gefällt’s besser, sie ist am Leben. Aber tot gefällt mir besser als vermisst. Nach ihrem Tod gehört alles dir. Damit käme ich gut klar. Falls du was brauchst, ruf einen der Läden in Elko an, okay?«
»Wie meinst du das, ›alles gehört mir‹?«
»Du bist ihr gesetzlicher Erbe, nicht ich.«
»Aber es gehört nicht mir, sondern dir.«
»Nach dem Gesetz würde es dir gehören.«
»Also müsste ich dann nur was unterschreiben, um dir alles zu übertragen?«
»Gabe, ich darf keine Bordelle und Kasinos besitzen. Ich bin ein Verbrecher.«
»Ich dachte, man hätte dich begnadigt.«
»Ich bin aus dem Gefängnis entlassen
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