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Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Titel: Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Götz W. Werner
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kann.«
    Die beste Antwort? Drei Gegenfragen!
    Der Schlüsselbegriff heißt Wertschätzung. Leider kommt man in unserer heutigen Gesellschaft mehr mit Geringschätzung in Berührung als mit Wertschätzung. Dabei – und das sollte sich jeder Unternehmer, jeder Manager mit Blockbuchstaben ins Tagebuch eintragen! – gilt die Formel: Je weiter der einer Arbeit innewohnende Wert abnimmt, desto größer muss die Wertschätzung der Menschen drum herum sein!
    Wenn jemand weiß, dass er der Einzige ist, der den Durchblick hat, und dass ohne ihn alles zusammenbricht, dann kann man ihn sogar Idioten nennen – er wird trotzdem seine Arbeit machen. Aber wer eine Arbeit verrichtet, die auch jeder andere erledigen könnte, den kann man nicht oft genug daran erinnern, dass es gut und wertvoll ist, dass er sie tut. Das können Sie in jeder Familie erleben: Einmal im Jahr kunstvoll den Weihnachtsbaum schmücken, da wollen alle mithelfen. Aber am Abend den Müll runtertragen, da schreit keiner »Hier!«. Umso wichtiger ist es, dass man den Menschen vermittelt, dass Arbeit verschiedene Werte haben kann: einen für sich selbst, weil man sich darin erfahren und weiterentwickeln kann, und einen für die Gemeinschaft.
    Nun konnte ich meine kleine individuelle Erkenntnis nicht vor mir hertragen wie eine Monstranz und im Unternehmen »par ordre du mufti« ein anderes Wertesystem anordnen. Das wäre absurd gewesen und gnadenlos gescheitert. Aber wenn man sein Denken ändert, dann macht man zwar das Gleiche wie vorher, aber in einem anderen Licht, mit einem anderen Engagement. Deswegen begann ich, meinen Einsichten nicht nur entsprechendes Verhalten folgen zu lassen, sondern versuchte zugleich, andere Menschen in den Strom meiner Erkenntnisse einzubeziehen, indem ich sie mit denselben Fragen konfrontierte, die mich beschäftigten. Ich begann, Fragen zu stellen – mir und anderen.
    In dieser Phase drängte sich mir, der ich seit jenem Schlüsselerlebnis in Pirmasens die Welt mit anderen Augen betrachtete, eine weitere Erkenntnis auf, gewissermaßen eine weitere Schlüsselerkenntnis: Mein Tag hatte damals wie heute und wie bei jedem anderen Menschen 24 Stunden. Nun wurden aber die Filialen immer mehr, die Mitarbeiter wurden immer mehr, und – weil die Mitarbeiter gewohnt waren, den Herrn Werner dies und das zu fragen – wurden auch die Fragen immer mehr.
    Natürlich war ich furchtbar stolz drauf, dass ich all diese Fragen immer sehr schnell beantworten konnte. Schließlich lebte ich nach der Devise »Verantwortung tragen heißt, Fragen beantworten zu können«. Aber als nun die Fragen immer mehr wurden, kam ich plötzlich an eine Grenze.
    Damals gab es – Gottseidank! – noch keine Handys, sonst hätte ich das Spiel sicher noch sehr viel länger durchgehalten. Aber so erwartete mich in jeder Filiale, in die ich kam, immer schon eine Liste von Telefonnummern, die ich zurückrufen sollte. Das fühlte sich zunächst einmal großartig an. Man steigt aus seinem 500er Mercedes, kommt in die Filiale, und sofort ruft die Filialleiterin: »Herr Werner, da waren ein, zwei, drei, vier, fünf Anrufe, da müssen Sie überall anrufen!« Immer kam ich mir entsprechend wichtig vor. Es ist eben verführerisch, sich allwissend zu fühlen. Und wehe, ich kam in die Filiale, und es wartete kein Anruf. Da bekam ich es, überspitzt formuliert, fast schon mit der Angst zu tun, ich würde nicht mehr gebraucht.
    Angeregt durch die Anthroposophie, begann ich nun, genau zu beobachten, wann mich die Menschen etwas fragten. Dabei machte ich die Beobachtung, dass die meisten Menschen erst fragen, wenn sie schon eine Antwort oder zumindest eine Idee von einer Antwort haben. Hatten sie keine, fragten sie nicht – vermutlich aus Sorge, dumm dazustehen. Die Antwort im Hinterkopf, fragen sie aus anderen Gründen, etwa weil sie Kontakt suchen, weil sie nicht die Verantwortung tragen wollen, weil die Arbeit stillsteht, solange sie auf die Antwort warten müssen, oder weil sie dem Befragten das Gefühl geben wollen, dass er wichtig ist. Aber sie fragen nicht, um eine Antwort zu bekommen.
    Historisch kommt dieses Verhalten aus dem Handwerk. Der Meister weiß alles besser und kann alles besser. So war das früher. So war es auch, als unser Unternehmen klein war. Natürlich habe ich alles besser gewusst und besser gekonnt. Der Meister gibt dann die Direktiven. Aber inzwischen war unser Unternehmen gewachsen. In großen Unternehmen jedoch und mit der Spezialisierung, die wir

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