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Wuestenmond

Wuestenmond

Titel: Wuestenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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wandte keinen Blick von ihm ab. Er wirkte wie ein Mensch, der den Zauber der Wüste kannte und still um ihn trauerte. Mein Geist kehrte in die Schlucht zurück, in der wir uns umarmt hatten. Ich spürte wieder seine Hände, seinen warmen Atem. Keine Gefühlsäußerungen vor meiner Mutter.
    Ich hatte den Film meinen Gedanken angepaßt: lange Aufnahmen von Felsen und Dünen, Licht, viel Licht, dann der Abstieg in die 230
    Höhle. Die Magie der urzeitlichen Bilder, der Todesschlamm, die Molche. Der urtümliche Mutterschoß war entweiht. Keine klingende Quelle mehr, kein Weltangesicht. Aman Iman, Wasser ist Leben.
    Jetzt nicht mehr, Olivia. Es ist aus und vorbei. Der Mensch kauft und verkauft den Tod; das hat er zwar schon früher gemacht, aber heute hat er auch noch die Technologie. Wir sind eine mordsüchtige Rasse.
    Der Film endete mit einem Zitat aus dem fünften Buch Moses:
    »Ich rufe heute gegen euch Himmel und Erde zu Zeugen an, so daß ich dir das Leben und den Tod, den Segen und den Fluch vorgelegt habe; so wähle denn das Leben, auf daß du leben bleibst, du und deine Nachkommen.«
    Das Licht wurde rötlich und matt, als atmeten die Steine Blut aus.
    Dann abspulen. Dunkelheit. Olivia saß stumm, wie erstarrt. Ich bewegte mich schweigend, schaltete die Beleuchtung ein. Jetzt wandte sie mir langsam das Gesicht zu. Unsere Augen trafen sich.
    Sie sagte:
    »Du bist der Sache ziemlich nahe gekommen.«
    Sie lebte mit der Erinnerung an alte Geschichten, die ich zu oft gehört und nie im Kopf behalten hatte. Geschichten, dachte ich, die mich nie interessiert hatten, weil zuviel Staub auf ihnen lag. Sie wußte, wie man sich zurückzog, sich unsichtbar macht. Sie hatte mich laufen, meinen Weg suchen lassen. Das Gefühl hatte ich wenigstens bislang gehabt. Jetzt meldeten sich Zweifel an. Mir kam es plötzlich vor, als ob sie mich gelenkt hätte, mit stiller Beharrlichkeit, all die Jahre hindurch. Sie und alle anderen, die vor mir da waren. Das geht zu weit, Olivia. Ihr sitzt mir im Nacken. Ich mag das nicht. Ich bot ihr eine Zigarette an. Sie schüttelte den Kopf.
    Sie rauchte schon seit Jahren nicht mehr.
    »Das mit den Atomversuchen, damals, hast du das gewußt?«
    »Es gab Gerüchte. Wir sprachen davon. Von den Auswirkungen hatten wir natürlich keine Ahnung.«
    »Elias hofft, daß die UNESCO die Felszeichnungen schützt, bevor Idioten mit Spraydosen anmarschieren. Am Anfang habe ich wirklich gedacht, ist der naiv.«
    »Das ist er keineswegs.«
    »Nein. Und er hat schon recht: Die Bilder sind wunderbar erhalten, besser als die in Djanet. Der Rummel geht bald los. Es sei denn, es wird bekannt, daß der Ort verseucht ist…«
    Ein kleines, schmerzliches Lächeln zuckte um ihre Lippen.
    »Das macht ja die Sache erst attraktiv. Das Gefährliche ist immer 231
    interessant. Ich sagte dir ja schon, ich kenne die Schlucht. Die Höhle auch… Chenani und ich waren gelegentlich leichtsinnig. Als du auf die Welt kamst, wurden wir ruhiger. Damals stand der Wasserspiegel hoch. Und mißgestaltete Molche gab es nicht.«
    Sie erschauderte.
    »Mein Gott, ist das fürchterlich. So ein Horror, und in aller Stille!
    Brückner paßt wahrhaftig gut zu dem Thema…«, setzte sie mit müdem Zynismus hinzu.
    Ich suchte einen Aschenbecher, setzte mich neben sie und ließ die Beine über die Lehne baumeln.
    »Und was nun?«
    Olivia sagte:
    »Pessimisten geben das menschliche Leben mit dem Leben unzähliger anderer Arten auf der Erde schon jetzt verloren.«
    Sie schwieg, und ich rauchte versonnen.
    »Ich werde natürlich nach Venedig fahren. Neben den Vorführungen gibt es täglich Podiumsgespräche zu aktuellen Fragen rund um den Film. Eine Frau hat da gewisse Vorteile. Solange sie einigermaßen jung ist, meine ich. Die Kritiker sehen sich zuerst ihre Beine an, dann den Film. Vielleicht gewinnen wir eine Auszeichnung.«
    Wir lächelten beide flüchtig. Und wurden im gleichen Atemzug wieder ernst.
    »Das Ganze ist eine politische Angelegenheit. Ich kenne die richtigen Leute nicht, die haben mich nie interessiert. Du hast von Hoffnung gesprochen. Wenn irgendwo ein Flämmchen ist, kann ich versuchen zu kämpfen. Wahrscheinlich verbrenne ich mir die Finger.
    Und wie bringe ich die nötige Energie auf?«
    Sie ließ einige Atemzüge verstreichen. Plötzlich lachte sie auf; in ihrem Lachen war ein rauher Klang, etwas Mädchenhaftes, als wäre sie verlegen und bemüht, das zu verbergen.
    »Weißt du, daß Elias mich stark an Chenani erinnert?«
    Ich

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