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Wuestenmond

Wuestenmond

Titel: Wuestenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Zukunft fiel nicht, da war ich mir sicher. Die Gefühle, die Elias’ Brief in mir auslöste, kamen aus der Müdigkeit.
    Ich war müde, und alles schmerzte. Ich war ihm fast böse, weil er sich auf mich verließ. Er durfte es nicht erwarten, er konnte es nicht verlangen. »Erpressung!« zischte ich. Ach, ich konnte mir schon 228
    vorstellen, daß er bald eine andere Frau fand. Und gleichzeitig konnte ich nicht anders, als an die Tiefe und die Größe seiner Gefühle zu glauben. Dickköpfig und eigensinnig war ich zur Welt gekommen, eine richtige Targuia, die mit den Männern machte, was sie wollte. Jetzt mußte ich herausfinden, wie tief ich leiden konnte.
    Ich rief Olivia an; der Film sei fertig. Am Montag bekam die Produzentin den Streifen.
    »Kommt er im Fernsehen?«
    »Zuerst wird er bei den Filmfestspielen in Venedig gezeigt. Im Februar. Fantine will da einiges herausholen. Die Verleihrechte steigen, und wir können später ein größeres Publikum gewinnen.
    Wenn du ihn sehen willst, kann ich das organisieren.«
    »Ich komme übermorgen«, sagte Olivia. »Ich habe schon den Fahrplan. Gare du Nord, um dreizehn Uhr zwanzig.«
    »Schön. Ich hole dich ab.«
    Am Samstag sah ich sie in ihrem alten Regenmantel aus dem Abteil steigen, im Gedränge auf mich zukommen. Ihr Haar war etwas gewachsen und wehte leicht im Wind. Sie fuhr sich mit der Hand hindurch und warf es zurück, ganz unbewußt. Sie wußte nicht, daß ich sie beobachtete. Von weitem gesehen sah sie beschwingt aus, nahezu jugendlich. Erst als sie vor mir stand, sah ich ihre fahle Haut, die topasbraunen, eingesunkenen Augen, das schlaffe Kinn. Wir küßten uns nicht; ich küßte Olivia nie. Ich nahm ihr die Tasche ab und fragte sie nach der Reise.
    »Zu viele Leute im Zug, ich bin das nicht mehr gewöhnt.« Olivia sprach etwas atemlos. »Aber ich bin froh, daß ich mal aus meinen vier Wänden komme.«
    Sie betrachtete mich neugierig.
    »Du bist braun geworden.«
    Ich lachte. Wer Filme macht, verbringt viel Zeit in dunklen Räumen.
    »Die Farbe ist schon verblaßt.«
    Ich wollte mit ihr essen gehen, aber sie sagte, sie habe schon ein Sandwich gehabt.
    »Bist du müde? Willst du dich etwas ausruhen?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Nein, eigentlich nicht. Die Reise war keine so große Sache. Ich bin gespannt auf den Film.«
    »Wir können ihn uns gleich ansehen, wenn du willst. Einer der Vorführräume ist frei.«
    Olivia sollte eine richtige Leinwand haben, keinen Bildschirm, der 229
    nur zwanzig Zentimeter breit war. Zufrieden saß sie neben mir im Auto; ich sah ihr abgewandtes feines Profil mit der etwas flachen Nase und dem blassen, schön geformten Mund. Das Weiß in ihrem blonden Haar stand ihr gut. Sie hielt die Hände ineinander verschränkt; es war eine Angewohnheit von ihr. Ihre Hände waren kräftig im Verhältnis zu ihrer Körpergröße. Sie trug nicht einen einzigen Ring. Ein kleines Lächeln lag auf ihren Lippen. Sie betrachtete amüsiert das Pariser Verkehrschaos.
    »Seit wann bist du nicht mehr hier gewesen?« fragte ich.
    »Ich glaube, es ist schon zehn Jahre her.«
    »Meine Wohnung wird dir gefallen«, sagte ich. »Sie ist größer als die an der Rue de Bercy.«
    Ich hielt auf dem Parkplatz des Studios und ging mit ihr in den Vorführraum. Sie war zum ersten Mal da und sah sich neugierig um.
    Ich fragte mich, was sie zu Brückner in Verbindung mit einem Film über die Sahara sagen würde. Auf musikalischem Gebiet war sie puristisch, um nicht zu sagen stur. Mir wurde plötzlich klar, daß ich unbewußt ihre Zustimmung suchte, ein Gedanke, der mich ärgerte.
    Aber die Genugtuung, etwas vollbracht zu haben, wozu mein Innerstes mich drängte, ließ den Unwillen verblassen.
    »Möchtest du Kaffee?«
    »Danke, gerne.«
    Ich holte ihr Kaffee aus der Kantine, dazu ein Stück Zitronentorte.
    Sie trank den Kaffee; die Torte ließ sie unberührt. Sie saß sehr gerade, mit aufrechtem Rückgrat. Ich spürte ihre Gespanntheit. Aber ich konnte nichts in ihren Augen lesen; sie war unberechenbar.
    »Willst du die Torte nicht?«
    Sie schüttelte den Kopf. Ich nahm ihr den Teller aus der Hand und schlang die Torte hinunter. Ich rieb mir die klebrigen Finger an den Jeansnähten ab, verdunkelte den Raum und ließ den Film laufen.
    Manche Szenen waren vielleicht »aufgesetzt«, wenn man sie nach dem Drehbuch beurteilte. Und so trat Elias aus dem Lichtschleier, lebte auf der Leinwand, wie er in meinen Augen lebte; sein Anblick trieb mir die Wärme in die Adern. Ich

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