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. . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen

. . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen

Titel: . . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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stippen.
    »Wenn Sie erlauben, Lewis, würde ich zu Ihren im ganzen wirklich hervorragenden Ausführungen gern noch eine oder zwei Ergänzungen machen.« Lewis’ Gesicht verdüsterte sich. Es war deutlich zu sehen, daß er alles andere als erbaut davon war. Morse beeilte sich denn auch, ihn zu beruhigen. »Nichts Grundsätzliches. Ich denke nur, daß wir, was den Ablauf bestimmter Dinge angeht, schon mehr sagen können, während das Motiv meiner Ansicht nach noch etliche Fragen aufwirft. Gehen wir das Ganze einmal durch. Sie beginnen mit der Annahme, daß Mrs. Taylor sich als Valerie verkleidet habe. Dem stimme ich voll zu. Ich möchte an dieser Stelle jedoch noch auf etwas anderes hinweisen – auch wenn es nur eine Kleinigkeit ist: Es ging meines Erachtens für Mrs. Taylor an jenem Nachmittag nicht nur darum, daß man annahm, sie sei Valerie, genauso wichtig war, daß sie nicht als Mrs. Taylor erkannt wurde. Im allgemeinen achtet man, wenn man jemanden sieht, mehr auf das Gesicht als auf die Kleidung. Es erscheint mir nun notwendig, hier noch einmal daran zu erinnern, daß Mutter und Tochter einander nicht nur in bezug auf ihre Figur, sondern auch, was ihre dunkelbraunen, schulterlangen Haare angeht, sehr ähnlich waren. Mrs. Taylor hat nämlich erst sehr wenige graue Haare. Gewöhnlich trägt sie sie wohl hochgesteckt, aber ich wette, daß es, wenn sie sie offen trägt, genauso aussieht wie bei Valerie. Wenn sie sie dann noch ein bißchen ins Gesicht zog, so vermute ich, daß nur jemand, der unmittelbar vor ihr stand, sie hätte erkennen können.«
    Lewis nickte. Er war erleichtert. Wie der Inspector vorhin selbst gesagt hatte – das war ja nun wirklich nur eine Kleinigkeit.
    »Doch nun zu einem anderen, wesentlich wichtigeren Punkt«, fuhr Morse fort. Jetzt kommt’s, dachte Lewis. »Ich spreche von dem Motiv. Damit haben Sie es sich meiner Meinung nach etwas zu leicht gemacht. Was könnte Mrs. Taylor veranlaßt haben, ihre Tochter umzubringen? Valerie – ihr einziges Kind! Sie schreiben ganz richtig, Valerie sei schwanger gewesen, und obwohl wir dafür bisher noch keinen sicheren Beweis haben, denke ich, daß wir ruhig davon ausgehen dürfen, daß diese Annahme richtig ist. Wir wissen nicht, ob Valerie ihrer Mutter freiwillig davon erzählte oder ob Mrs. Taylor irgendwann von selbst dahinterkam. Ich glaube, es ist nicht einfach, so etwas vor seiner Mutter zu verbergen. Ich neige deshalb eigentlich dazu, anzunehmen, daß letzteres der Fall war. Aber wie auch immer. Ihre Schwangerschaft allein wäre sicherlich kein ausreichender Grund gewesen, sie umzubringen. Mrs. Taylor hätte es sicher nicht erfreulich gefunden, wenn ihre Tochter mit knapp achtzehn Mutter geworden wäre, und dazu noch unverheiratet – die Nachbarn hätten getratscht, man hätte es der Schule mitteilen müssen und, nicht zu vergessen, die spitzen Kommentare von Onkeln und Tanten und was es da sonst noch an Verwandtschaft gibt. Andererseits ist ein uneheliches Kind heute nicht mehr die absolute Katastrophe. Ganz auszuschließen ist Ihre Version, wie es zu dem Mord kam, natürlich nicht, Lewis; aber ich habe irgendwie das Gefühl, daß Mrs. Taylor schon längere Zeit von der Schwangerschaft, ihrer Tochter wußte und nicht erst am Mittag des 10. Juni davon erfuhr. Was sie aber vielleicht nicht wußte, und was sie meines Erachtens sehr viel mehr bewegte als die Tatsache der Schwangerschaft, war die Frage, wer der Vater war. Ich könnte mir vorstellen, daß sie des öfteren versuchte, Valerie dazu zu bringen, ihr den Namen zu sagen, und daß Valerie sich jedesmal weigerte. Doch Mrs. Taylor konnte in diesem Punkt nicht lockerlassen, hörte nicht auf, danach zu fragen, denn sie hatte einen schrecklichen Verdacht. Zu Beginn unserer Ermittlungen hatte ich etwas voreilig angenommen, Valerie sei eines dieser hübschen jungen Dinger, denen es nicht so genau darauf ankommt, mit wem sie ins Bett gehen. Maguires Aufschneidereien bestärkten mich noch in dieser Meinung. Inzwischen bin ich mir allerdings ziemlich sicher, daß sie ihn mit seinen Wünschen hat abblitzen lassen – vielleicht, daß er ihr ein – oder zweimal unter den Rock faßte. Das dürfte es dann aber auch gewesen sein. Weniger, weil sie prüde war, sondern weil Maguire nicht ihrem Typ entsprach. Valerie Taylor bevorzugte nämlich ältere Männer. Männer Ihrer Altersgruppe, Lewis.«
    »Und Ihrer, Sir«, gab Lewis zurück. Aber keinem der beiden war dabei zum Lächeln zumute; dazu war die

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