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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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Masser. »Allerdings gibt’s bei mir so ein junges Ding, die Tochter meiner Köchin. Höchstens fünfzehn, sechzehn Jahre alt, meiner Schätzung nach. Da weiß ich wirklich nicht, ob sie schon miteinander im Heu gewesen sind.«
    Kunta vergaß fast zu atmen.
    »Ich kenne welche, die haben schon mit zwölf ein paar Bälger!« feixte der Sheriff. »Viele von diesen jungen Niggermädchen haben es auch auf weiße Männer abgesehen, und Niggerjungen – die nehmen sowieso jede. «
    Durch seine schwelende Wut spürte Kunta doch, wie Masser Waller plötzlich frostig wurde. »Ich habe so wenig persönlichen Kontakt zu meinen Sklaven wie möglich. Von ihren Privataffären weiß ich nichts und will ich auch nichts wissen.«
    »Ja, ja, natürlich«, sagte der Sheriff schnell.
    Der Masser milderte seinen abweisenden Ton. »Angenommen, an Eurem Hinweis ist was dran, so könnte der Junge ein Mädchen auf einer andern Pflanzung haben und sich bei Nacht hingeschlichen haben. Ich weiß es nicht, und natürlich würden die andern es mir nicht verraten, wenn sie davon wüßten. Aber vorläufig ist noch jede andre Erklärung möglich, zum Beispiel eine Schlägerei; er könnte irgendwo halbtot herumliegen. Es wäre sogar denkbar, daß er von armen Weißen verschleppt worden ist, auch treiben gewisse skrupellose Sklavenhändler auf diese Art ihre Geschäfte. Nochmals, ich weiß es nicht. Aber wie ich höre, hat der Junge vorher noch nie unentschuldigt bei der Arbeit gefehlt.«
    In seinem Benehmen etwas zurückhaltender geworden, sagte der Sheriff: »Er ist also auf Eurer Pflanzung geboren und aufgewachsen. Gereist ist er demnach nicht viel?«
    »Ich würde meinen, er hat keine Ahnung, wie man auch nur nach Richmond kommt, vom Norden ganz zu schweigen«, sagte der Masser.
    »Die Nigger tauschen erstaunlich viele Informationen unter sich aus«, sagte der Sheriff. »Wir haben’s aus ein paar Aufgegriffenen herausgeprügelt, daß sie regelrechte Landkarten im Kopf hatten, mit sämtlichen Hinweisen auf freie Strecken und Unterschlupfmöglichkeiten. Viele führen auf die Spur von frommen weißen Niggerfreunden, meist Quäkern und Methodisten. Aber da Euer Junge nie irgendwo war, auch noch nie einen Fluchtversuch oder sonstigen Ärger gemacht hat, möcht ich jetzt doch eher drauf tippen, daß er spätestens nach ein paar Nächten aus den Wäldern zurückkommt, halbtot vor Angst und Hunger. Bei Niggern ist ein leerer Bauch immer der stärkste Antrieb. Das erspart Euch die Ausgaben für Zeitungsannoncen oder einen Trupp dieser professionellen Niggerfänger mit ihren Spürhunden. Alles, was Ihr gesagt habt, klingt nicht nach ’nem ausgekochten Gewohnheitsverbrecher, der in Wäldern und Sümpfen schon wie zu Hause ist und den Leuten Rinder und Schweine abschlachtet, als wären’s wilde Karnickel.«
    »Hoffentlich habt Ihr recht«, sagte Masser Waller. »Aber wie dem auch sei, er hat mein Verbot mißachtet und sich unerlaubt von der Pflanzung entfernt. Das genügt. Ich werde ihn nach seiner Ergreifung sofort in den Süden verkaufen.« Kuntas Fäuste packten die Zügel so fest, daß sich die Nägel in seine Handflächen gruben. »Dann laufen bei Euch zur Zeit gute zwölf- bis fünfzehnhundert Dollar auf freiem Fuß herum«, sagte der Sheriff. »Na, Ihr habt ihn ja bereits beschrieben. Ich geb den Steckbrief gleich an sämtliche Posten weiter. Sobald wir ihn aufgreifen oder etwas Neues hören, werden wir Euch in Kenntnis setzen.«
    Samstag vormittag nach dem Frühstück striegelte Kunta gerade ein Pferd vor der Scheune, als er Catos Käuzchensignal zu vernehmen glaubte. Er reckte lauschend den Hals und hörte es noch einmal. Rasch band er das Pferd an den nächsten Pfosten und humpelte den Pfad zur Hütte hinan. Vom Vorderfenster konnte er fast bis zur Kreuzung der Landstraße mit der Auffahrt des Herrenhauses sehen. Im Haus selbst mußte Catos Warnruf natürlich auch Bell und Kizzy alarmiert haben.
    Dann sah er den Wagen heranrollen und erkannte mit wachsender Unruhe den Sheriff auf dem Bock. Allah, barmherziger Gott – war Noah gefangen? Als Kunta den Sheriff aussteigen sah, wollte er wie gewohnt hinauseilen und den abgehetzten Gaul des Besuchers tränken und abreiben, aber er war wie gelähmt und starrte weiter aus dem Fenster, während der Sheriff, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe zum Herrenhaus hinaufrannte.
    Nur wenige Minuten später sah Kunta Bell beinahe taumelnd aus der Hintertür kommen. Sie fing an zu rennen – und Kunta

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