Wyoming 2 - Wildes Herz
das hatte Colt vermeiden wollen - wieder in ihrem Zimmer zu sein, mit ihr gemeinsam dort zu sein, und noch dazu allein mit ihr. Er hatte immer geglaubt, es gäbe nichts, was er nicht ertragen könnte, keine Schmerzen, keine Foltern, keine Versuchung, all dem könne er widerstehen - bis er sie getroffen hatte. Himmel, selbst dieser sadistische Viehtreiber Ramsay hatte ihn nicht kleingekriegt. Aber dieser kleine Rotschopf schaffte es fast, ohne sich auch nur anzustrengen. Und er konnte ihr noch nicht einmal etwas vorwerfen. Nein, er wußte genau, wo er die Schuld zu suchen hatte
- in seiner eigenen Hose.
Seine Gelüste verspotteten seinen Willen, und sie zerschlissen und zerfetzten seinen Stolz und seine Selbstachtung. Aber das gehörte nicht zu den Dingen, bei denen er sich bisher je beherrscht hatte, und daher wußte er nicht, wie er damit umgehen sollte. Alles, was er wußte, war, daß er diese Frau so sehr wollte, wie er noch nie zuvor etwas begehrt hatte. Und jedesmal, wenn er sie sah, schien sich sein Verlangen enorm zu steigern. Das reichte aus, um in einem Mann den Wunsch aufkommen zu lassen, sich selbst die Kehle aufzuschlitzen.
Voller Selbsthaß packte er ihre Hände, zerrte sie auf das Fensterbrett und weit genug in den Raum hinein, daß sie sich von dort aus selbst hochziehen konnte. Dann machte er auf dem Absatz kehrt und ging auf die Tür zu, denn er war wild entschlossen, dieses Zimmer zu verlassen, ehe sie es endgültig betreten hatte. Aber anscheinend paßte es ihr nicht, so dazuhängen, halb im Zimmer, halb im Freien.
»Colt! « wimmerte sie.
Er blieb nicht stehen. »Wenn ich Sie noch ein einziges Mal anrühre, Herzogin, werden Sie es verdammt noch mal bereuen. «
»Bloß, weil Sie das mühelos schaffen, heißt das noch lange nicht... ach, was soll's! «
Jocelyn senkte ihren Oberkörper so weit, daß ihr eigenes Gewicht sie nach vorn purzeln ließ, äußerst unwürdig, wie sie erkannte, als ihre Beine hinter ihr heruntersackten und auf den Boden knallten. Aber sie vergeudete keine Sekunde damit ihren plumpen Sturz zu vertuschen, sondern sie sprang sofort auf die Füße. Ihre Wut legte sich auch nicht, als sie sah, daß er sie nicht dabei beobachtet hatte. Sie erwischte ihn gerade noch im letzten Moment, als seine Hand schon auf dem Türgriff lag.
»Sie sind der griesgrämigste, unleidlichste... Herr im Himmel! « fügte sie hinzu, als ihre Aufmerksamkeit auf das Durcheinander in ihrem Zimmer fiel. »Was zum Teufel ist denn hier passiert? Haben die etwa geglaubt, daß ich mich in einer dieser Truhen verstecke? «
Das hielt ihn zurück. Wenigstens war das ein ungefährliches Thema, und es war ihr Recht, es zu wissen. Und die Distanz reichte aus, denn das ganze Zimmer lag zwischen ihnen. Trotzdem wollte er nicht das Risiko eingehen, sie jetzt, da sie nicht mehr vom Dunkel umhüllt war, anzusehen. Das Durcheinander, das sie anstarrte, zog auch seinen Blick auf sich, als hätte er es nicht schon vorher gesehen.
»Die haben nicht nach Ihnen gesucht, Herzogin. «
»Doch, natürlich. Longnose ist der einzige... «
»Diesmal nicht. Ihr Longnose hat uns noch nicht wieder eingeholt. Wenn er uns auf der Fährte wäre, dann würde ich das wissen. «
Sie zweifelte nicht an seiner Gewißheit, denn sie wußte, daß er auf dem Weg täglich ihre weitere Umgebung ausgekundschaftet hatte. »Wer war das dann? «
»Ein paar Diebe, wahrscheinlich Jungen aus der Stadt. Diese Wache vor Ihrer Tür hat sie wahrscheinlich angelockt. Wenn ein Mann einen Raum sieht, der durch mehr als ein Schloß und einen Schlüssel gesichert ist, geht er in neun von zehn Fällen davon aus, daß sich hinter der Tür etwas verbirgt, was einen Diebstahl wert ist. «
Sie sah ihn an, als sie sich wieder an den lauten Aufprall erinnerte, den sie im Flur gehört hatte. »Robbie? Ist... ist er...? «
Sie konnte den Satz nicht beenden, denn sie fürchtete, der Grund, aus dem Colt sie nicht ansehen wollte, sei der, daß der stämmige Schotte tot war. Von diesem Irrtum konnte er sie abbringen, doch er sah sie immer noch nicht an. Er bückte sich, um ein Stückchen Seide aufzuheben, das vor seinen Füßen lag, und er starrte das schmale blaue Band in seiner Hand an, als sei es der faszinierendste Gegenstand, den er je gesehen hatte.
»Ihr Mann ist von hinten angegriffen worden. Morgen wird er wegen seiner Achtlosigkeit fürchterliche Kopfschmerzen haben, aber das ist auch schon so ziemlich alles. Meiner Schätzung nach hat ihn einer von
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