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Xeelee 3: Ring

Xeelee 3: Ring

Titel: Xeelee 3: Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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bemalte Gesicht wirkten in der sterilen Umwelt von Deck Eins absolut deplaziert. »Ich mache mir etwas mehr Gedanken als die meisten Leute hier unten. Und ich habe deswegen auch schon genug Ärger gehabt. Aber dennoch bin ich alt. Ich kann einfach nicht anders; ich fürchte Veränderungen – Ungewißheit – mehr als alles andere. Ihr Leute bedeutet eine enorme Irritation für die Decks – fast eine Invasion. Mein Leben wird nie mehr so sein wie früher. Und das ist unangenehm.«
    Pfeilmacher verlangsamte den Schritt. »Wirst du uns helfen?« fragte er gleichmütig. »Du hast gesagt…«
    »Ja, ich werde euch helfen. Ich verliere schon nicht die Nerven, Pfeilmacher; ich werde mein Wort halten. Ich weiß schon seit langem, daß die Art und Weise, wie die Dinge hier unten geregelt werden, nicht logisch ist. Vielleicht werde ich, indem ich dir helfe – indem ich Uvarov helfe –, etwas mehr Sinn in die ganze Sache bringen können.« Wenigstens, dachte er, verstehe ich jetzt, wozu all diese Ratschen und Metallbügel, die ich schon seit so vielen Jahrzehnten herstelle, dienen. Er grinste und fuhr sich mit der Hand über die Glatze. »Aber ich weiß nicht genau, wie sich das alles entwickeln wird. Ihr seid nämlich so – anders.«
    Pfeilmacher lächelte. »Dann ist Angst – oder zumindest Vorsicht – die einzig rationale Reaktion.«
    »Es sei denn, man ist fünfzehn Jahre alt.«
    »Das habe ich gehört.« Seilspinnerin schloß sich ihnen wieder an. Sie knuffte Morrow leicht in die Rippen; ihre kleine, harte Faust drang in Fettschichten ein, und er versuchte, den plötzlichen, heftigen Schmerz zu ignorieren.
    Sie gingen eine Rampe hinab und wechselten von Deck Eins auf Deck Zwei, die erste der bewohnten Ebenen.
    Morrow versuchte, seine Welt mit den frischen Augen der Waldmenschen zu betrachten. Die dreckigen, fleckigen Oberflächen der ober- und unterhalb befindlichen Schotts, die entfernte, leicht dunstverhangene Schiffswand, all das zwängte die Welt in einen Rahmen – geregelt, geordnet und geschlossen. Riesige Flächen aus Grünspan entstellten einen Teil der Wandung. Aufgänge durchsetzten die Decks wie hundert Meter lange Spinnennetze, und die Liftschächte waren vertikale Säulen, welche die Ebenen durchstießen und scheinbar den metallenen Himmel stützten. Die strenge konzentrische Geometrie von Deck Zwei war leicht zu ermitteln. Gebäude – Wohnungen, Fabriken, die Tempel der Planer – drängten sich gehorsam in den präzisen Sektoren und Segmenten des Decks.
    Morrow fühlte sich verlegen und irgendwie deprimiert. Seine Welt war einfallslos und beschränkt – wie das Innenleben einer großen Maschine, dachte er. Und noch dazu einer verschlissenen, versagenden, alternden Maschine.
    Sie betraten einen Verbindungssteg, der direkt zu Milpitas’ Tempel führte.
    Eine Frau kam auf sie zu. Morrow kannte sie – sie wurde Bewahrerin genannt; sie betrieb einen Laden in einem heruntergekommenen Abschnitt von Sektor 4. Mit niedergeschlagenen Augen marschierte sie auf dem Steg zielstrebig auf sie zu. Sie sah müde aus, dachte Morrow; sie mußte wohl Schichtende haben.
    Dann schaute sie auf und registrierte die Waldmenschen. Bewahrerin verhielt mitten auf dem Steg und ließ den Unterkiefer hängen. Morrow sah, daß ihr Schweißperlen auf die Kopfhaut traten.
    Aus dem Augenwinkel bemerkte Morrow, daß Seilspinnerin nach ihrem Blasrohr griff.
    Er hob eine Hand und versuchte zu lächeln. »Bewahrerin. Hab keine Angst. Wir sind auf dem Weg zum Tempel, um…«
    Er brach den Satz ab. Er konnte schier sehen, daß Bewahrerin ihn nicht hörte. Vielmehr schien sie Schwierigkeiten zu haben, ihren eigenen Augen zu trauen; sie schaute an Morrows Gefolge vorbei, den Steg entlang zu ihrer Wohnung.
    Es war, als ob die Waldläufer für sie einfach nicht existierten – existieren konnten.
    Sie bot ein absurdes Bild. Aber sie erinnerte Morrow unangenehm an seine eigene erste Reaktion auf Seilspinnerin.
    Bewahrerin verließ hastig den Steg, umging sie und setzte ihren Weg fort, ohne sich nochmals umzusehen. Seilspinnerin schien sich zu entspannen. Sie hängte sich das Blasrohr wieder um die Schulter.
    »Bei allen Heiligen«, fuhr Morrow das Mädchen in plötzlicher Ungeduld an, »du hattest von der armen Frau nichts zu befürchten. Sie hatte schreckliche Angst. Hast du das denn nicht gesehen?«
    Seilspinnerin erwiderte seinen Blick mit großen Augen.
    Uvarov erhob seinen blinden Kopf; Pfeilmacher erklärte ihm kurz, was vorgefallen

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