Xeelee 4: Flux
du schon in der Stadt bist, dann solltest du das Leben auch in vollen Zügen genießen. Weshalb gehst du nicht mal aus?«
Er entfernte sich vom Bottich und wischte sich den Staub von den Armen.
Farr, dem durchaus bewußt war, daß er wieder auf die Schippe genommen wurde, nahm ein anderes Hemd – das vor Schmutz starrte – und stopfte es in den Zuber. Wie er es bei Bzya gesehen hatte, walkte er das Tuch durch. Die Späne knackten und flossen wie Lebewesen um seine Finger. Als er das Hemd herauszog, schienen die Hände in Handschuhen zu stecken, so staubig waren sie. Doch das Hemd war keinen Deut sauberer.
»Übung macht den Meister«, sagte Bzya lakonisch.
Farr warf das Kleidungsstück wieder in den Bottich und nahm es härter in die Mangel.
Jool hatte eine Mahlzeit zubereitet und klopfte Bzya nun auf die Schulter. »Jedesmal, wenn jemand zu Besuch kommt, läßt er sich vom Gast die Unterwäsche waschen«, sagte sie.
Bzya legte den Kopf in den Nacken und brach in ein brüllendes Gelächter aus.
Jool führte Farr in die Mitte des kleinen Raums. Dort hing ein hölzernes Rad mit fünf Speichen, in dessen Zwischenräume abgedeckte Schüsseln gestellt worden waren. Die drei versammelten sich um das Rad, wobei das Licht der Holz-Lampen über ihre Körper spielte. Nun nahm Jool die Deckel von den Schüsseln, worauf sie in der Luft davonschwebten. »Luft-Schweinebauch, mit Blütenblättern gewürzt. Er ist mir fast so gut gelungen wie Bzya. Eier vom Krusten-Rochen… schon mal probiert, Farr? Gefüllte Blätter. Bierkuchen…«
Auf Bzyas Aufforderung hin grub Farr die Hände in die Schüsseln und stopfte sich die würzigen Speisen in den Mund. Die Unterhaltung brach ab, denn Bzya und Jool konzentrierten sich nur noch auf das Essen. Unwillkürlich verglich Farr die kleine Wohnung mit dem Heim der Mixxax’ in der oberen Mittelstadt.
Dem einen Zimmer hier standen die fünf Räume der Mixxax’ gegenüber. Eine blitzblanke Müllrutsche verschwand in der Wand des Eßzimmers. Und Jool und Bzya waren viel unordentlicher als die Mixxax’. Bzya hatte das Wäscheknäuel einfach liegenlassen, und nun driftete es in der Luft umher, wobei die Ärmel sich wie die Beine einer Spin-Spinne entfalteten. Wenigstens war die Wohnung sauber. Dann erspähte er ein Bündel Rollen, die locker zusammengebunden in einer Ecke verstaut waren. Das Rad-Symbol war allgegenwärtig – es war in die Wände geschnitzt, der Eßtisch griff die Formensprache auf, und es befand sich als Relief an der Innenseite der Tür. Die Patina des Alters lag über diesem Teil der Stadt, die Zeichen des Verfalls waren unübersehbar, und im Vergleich zur Mittelstadt wirkte er schäbig… dafür hatte er mehr Charakter, fand Farr.
Er betrachtete die breiten, intelligenten Gesichter von Bzya und Jool, die vom Streulicht der Lampen indirekt angestrahlt wurden (die scheinbar wahllose Anordnung der Lampen hatte also doch Methode). Farr spürte die Aura unprätentiöser Intelligenz, von der dieser Raum durchdrungen war.
Streiflichtartig stellte er sich vor, bei diesen Leuten zu leben. Was, wenn er hier aufgewachsen wäre, tief im Innern von Parz, in diesem alten Teil der Stadt?
Im Grunde wäre das gar nicht mal so schlecht gewesen, sagte er sich und spürte plötzlich eine schier abgöttische Verehrung für diese feinen Menschen.
Verstohlen schüttelte er den Kopf und fragte sich, ob der Bierkuchen vielleicht schon seine berauschende Wirkung entfaltete.
Dann wurde ihm bewußt, daß Jool und Bzya ihn neugierig musterten.
»Habt ihr Kinder?« platzte es aus ihm heraus.
»Ja. Ein Mädchen, Shar«, sagte Jool lächelnd. »Aber wir sehen sie kaum. Sie arbeitet außerhalb der Stadt.«
»Vermißt ihr sie denn?«
»Natürlich«, sagte Bzya. »Deshalb habe ich sie bisher auch nicht erwähnt, Farr. Es hat keinen Zweck, sich über Dinge zu grämen, an denen eh nichts zu ändern ist.«
»Weshalb holt ihr sie nicht zurück?«
»Das ist ihre Entscheidung«, sagte Bzya. »Ich bin sicher, sie würde gern zurückkommen. Aber sie ist zu weit weg. Sie ist ein Deckenfarm-Kuli. Wie deine Schwester, wenn ich dich richtig verstanden habe.«
»Ob sie sich mal begegnen werden?« sagte Farr.
Jool lachte. »Für einen Oberströmler mag das Hinterland zwar klein sein, Farr, aber es gibt dort Hunderte von Decken-Farmen. Sie wird wohl erst dann wieder nach Hause kommen, wenn der Arbeitsvertrag ausgelaufen ist. Anschließend bekommt sie vielleicht eine bessere Arbeit auf der Farm. Ihr
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